Athen. . Die Wirtschaftsleistung sinkt im sechsten Jahr in Folge, die Arbeitslosigkeit steigt auf Rekordhöhe. Zwar macht Griechenland Fortschritte bei den Sparbemühungen, doch die sozialen Folgen sind verheerend. Doch Alternativen zu den einschneidenden Reformen wollen die Geldgeber nicht in Betracht ziehen.

Griechenland im sechsten Jahr der Rezession – müsste da nicht endlich Hoffnung keimen, das vielzitierte „Licht am Ende des Tunnels“ zu erkennen sein? Ministerpräsident Antonis Samaras sieht es bereits. 2013 sei das „Jahr der Wende“ sagt er, ab 2014 soll es wieder aufwärts gehen mit der Wirtschaft. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte bei einem Athen-Besuch vergangene Woche: „Man kann es mit den Händen greifen, in Griechenland bewegt sich etwas.“ Und selbst der strenge Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der kommende Woche in der griechischen Hauptstadt erwartet wird, zollt den Griechen verhaltenes Lob: Das Land sei „auf dem Weg zum Erfolg“.

Dass dies ein langer und beschwerlicher Weg ist, zeigte sich allerdings bei den jüngsten Troika-Verhandlungen. Das Reformtempo in Athen lässt immer noch zu wünschen übrig. Die Privatisierungen laufen äußerst schleppend. Dadurch verzögert sich der Schuldenabbau.

Mit Stellenabbau im Verzug

Mit den geforderten Stellenstreichungen im Staatsdienst ist Athen ebenfalls in Verzug, die Politiker sträuben sich – kein Wunder, diente ihnen doch die öffentliche Verwaltung seit Jahrzehnten als Versorgungsanstalt für verdiente Funktionäre und treue Anhänger. Weil Gewerkschaften und Berufsverbände mauern, kommt auch die Öffnung der so genannten „geschlossenen Berufe“, Hunderter strikt regulierter und vom Wettbewerb abgeschotteter Tätigkeiten, nur langsam voran.

Andererseits verzeichnet Griechenland bei der Haushaltskonsolidierung bemerkenswerte Resultate. Seit 2009 wurde das Defizit von 15,6 auf voraussichtlich 4,3 Prozent in diesem Jahr gedrückt. Kein anderes EU-Land hat einen ähnlichen Erfolg beim Defizitabbau vorzuweisen. In diesem Jahr liegt Griechenland bei der Umsetzung des Budgets sogar vor dem Plan: In den ersten fünf Monaten betrug der Fehlbetrag 3,8 Milliarden Euro. Angesetzt war im Haushaltsplan für Ende Mai ein Defizit von 7,1 Milliarden.

Griechenlands Wirtschaft schrumpft

Aber die Griechen zahlen für die fiskalische Konsolidierung einen hohen Preis. Das Land spart sich kaputt. Die Wirtschaft schrumpft bereits das sechste Jahr in Folge, bilanziert das Athener Forschungsinstitut IOBE. Bisher waren die IOBE-Ökonomen davon ausgegangen, dass die Wirtschaftskraft 2013 um 4,6 Prozent zurückgehen wird. Nun rechnen sie mit 4,8 bis 5,0 Prozent. Die Arbeitslosenquote dürfte auf 27,8 statt auf bisher erwartete 27,3 Prozent ansteigen. Unter den bis zu 25-Jährigen sind fast zwei Drittel ohne Job.

Griechenland hat insgesamt mehr als ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung verloren. Es ist die längste und schwerste Rezession, die ein westeuropäisches Land seit Kriegsende durchgemacht hat. In den vergangenen drei Jahren haben nahezu eine Million Griechinnen und Griechen ihre Arbeit verloren.

Die sozialen Folgen der Rezession sind verheerend. Das Arbeitslosengeld von 360 Euro im Monat wird maximal ein Jahr lang gezahlt. Danach ist Schluss. Eine Sozialhilfe oder Grundsicherung wie Hartz IV gibt es in Griechenland nicht. Wer kein Arbeitslosengeld mehr bekommt, verliert automatisch auch seine Krankenversicherung. Das betrifft aktuell bereits sechs von zehn Arbeitslosen. In Griechenland ist es nur ein kleiner Schritt von der Arbeitslosigkeit ins Elend.

Zeit für politische Rattenfänger

Gemessen an den Opfern, die ihnen abverlangt werden, zeigen die Griechen eine bemerkenswerte Geduld. Aber es brodelt unter der Oberfläche. Die Krise stellt das politische System des Landes auf die schwerste Zerreißprobe seit dem Ende der Militärdiktatur vor 39 Jahren, sie polarisiert. Politische Rattenfänger haben Hochkonjunktur – abzulesen am Aufstieg der Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“, die bei der Wahl vor einem Jahr knapp sieben Prozent bekam und jetzt in einigen Umfragen bereits bei elf Prozent liegt.

Griechenland muss für die Auszahlung von 6,8 Milliarden Euro Hilfsgelder klare Vorgaben der Eurogruppe erfüllen. In der öffentlichen Verwaltung müssten diesen Monat die ersten 4200 Mitarbeiter in eine Beschäftigungsgesellschaft wechseln. Bis Ende September sollen 12 500 Stellen abgebaut sein. Das Ziel liegt bei 25 000.