Washington. Bill Clintons diplomatischer Coup in Nordkorea wirft ein Schlaglicht auf ein Phänomen, das die meisten Amerikaner wohl nie ganz begreifen werden: die Clintons. Die Geschichte von Bill und Hillary Clinton - ihre Partnerschaft, ihre Ehe, ihre Präsenz - ist für viele ein Rätsel.

Für die Verhandlungen, die zur Freilassung zweier US-Journalistinnen in Nordkorea führten, brachte Bill Clinton einige unschätzbare Vorteile mit: Er besitzt das Prestige eines zweimaligen US-Präsidenten, kennt Asien, hat Erfahrungen im Auf und Ab mit Nordkorea und eine große Überzeugungsgabe. Gar nicht zu reden von einer Ehefrau, die Außenministerin der Vereinigten Staaten ist.

Seine Nachteile wie Ungeduld und übergroßes Selbstbewusstsein dürften in diesem Fall keine Rolle gespielt haben. In der hohen Diplomatie ist manches längst im voraus beschlossen, und es war so gut wie sicher, dass er nicht mit leeren Händen aus den Verhandlungen kommen würde.

Freunde und Rivalen

Beziehungen von früher waren mit im Spiel. Clinton setzte sich für Mitarbeiterinnen seines früheren Vizepräsidenten Al Gore ein. Der hatte sein Medienunternehmen nach der Niederlage bei der Präsidentschaftswahl gegründet, die er vielleicht gewonnen hätte, wären Clintons Skandälchen nicht gewesen. Und er verhandelte zum Wohle von Präsident Barack Obama, des Mannes, der die Hoffnungen seiner Frau auf das Weiße Haus zunichtegemacht hatte.

Der Fall der Journalistinnen, die wegen illegaler Einreise zu zwölf Jahren Arbeitslager verurteilt worden waren, ist in einem größeren Zusammenhang zu betrachten. Allen UN-Resolutionen zum Trotz, weitet Nordkorea sein Atomprogramm und seine Raketentests aus. Die USA versuchen es zu strafen und zugleich zur Zusammenarbeit zu bewegen, ein heikles Unterfangen. Clinton wurde herzlich und mit großem Bahnhof empfangen. Nordkorea nannte die Gespräche «erschöpfend», ohne preiszugeben, was neben dem Fall der Journalistinnen vielleicht sonst noch beredet wurde.

Abwechselnder Einsatz im Familienteam

Ob Zufall oder Absicht: Während Bill nach Nordkorea flog, befand sich Hillary auf Afrikareise in Kenia. Diesmal war er es, der im Rampenlicht stand und sie in den Hintergrund treten ließ - der gewohnte abwechselnde Einsatz im Familienteam.

Als Hillary Rodham Clinton ihren Ehemann das letzte Mal nach vorne schickte, im Wahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten 2008, ging das nicht gut aus. Seine unberechenbaren Frust-Ausbrüche nervten, während Obama an dem Power-Paar vorbeizog, Hillary aus dem Feld schlug und sie schließlich ins eigene Lager zog.

Viel erreicht und viel ausgehalten

In Bills Regierungszeit ging das gemeinsam mit Hillary angeschobene Mammutprojekt Gesundheitsreform schon im ersten Jahr so gründlich in die Hose, dass er fortan die Finger davon ließ und die Demokraten das Thema erst 2008 wieder aufgriffen. Das Paar hat viel erreicht und vieles ausgehalten, selbst Bills Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky und die Folgen. Zeitweise war er Hillary zufolge dermaßen in Ungnade, dass in der Familie nur noch der Hund Buddy mit ihm zu tun haben wollte.

Doch das ehrgeizige Team fand bald wieder zusammen, und er unterstützte sie dabei, für New York in den Senat einzuziehen. Nun stehen beide in Diensten ihres früheren Rivalen - sie als Ministerin und er als Privatmann auf diplomatischer Ebene.

Bill Clinton unterwegs in inoffizieller Mission

Für die Mission in Pjöngjang konnte er auf einzigartige Voraussetzungen zurückgreifen: Als einziger US-Präsident der jüngeren Zeit hatte Clinton während seiner Amtszeit einen Besuch in Nordkorea erwogen; seine Außenministerin Madeleine Albright war dort 2000 der letzte ranghohe Gast aus Washington gewesen. Das machte ihn zum gerngesehenen Gast.

Er reiste in inoffizieller Mission, mit Billigung und in Absprache mit der Regierung Obama. Wie genau das zustandekam, ob Obama ihn gerufen, Nordkorea ihn erbeten oder seine Frau ihn vorgeschlagen hat, blieb zunächst ungewiss. Auf jeden Fall aber: ein Punkt für das Clinton-Team. (ap)