Washington. Zwei Menschen starben beim Absturz einer Boeing 777 der südkoreanischen Asiana Airlines. Viele weitere erlitten schwere Verletzungen. Nach der Tragödie auf dem Flughafen San Francisco stellen Experten Fragen: Verlassen sich Piloten blind auf die Technik? Verlernen sie die präzise Handarbeit?
Lee Kang-Kook gehört mit 10 000 Stunden im Cockpit zu den Routiniers der südkoreanischen Fluggesellschaft Asiana. Allein, in San Francisco war der 46-Jährige mit einer Boeing vom Typ 777-200 ER vorher noch nie gelandet. Die Premiere am Samstag endete in einem Desaster mit zwei Toten und 50 zum Teil schwer Verletzten. 250 Passagiere kamen wie durch ein Wunder davon. Während die US-Transportsicherheitsbehörde NTSB noch die Vorläufigkeit aller untersuchten Mosaiksteinchen betonte, gehen Flugexperten und Piloten-Kollegen mehr und mehr von menschlichem Versagen aus.
Eine brisante Frage taucht dabei auf: Entwöhnt die Automatisierung des Fliegens Piloten im entscheidenden Moment von präziser Handarbeit? Im Mittelpunkt der Unfall-Analyse steht das Verhalten der Piloten beim Landeanflug. Neben Kang-Kook war Lee Jung-Min (12.000 Flugstunden) als Co-Pilot an Bord. Wie Debbi Hersman, Chefin der NTSB, gestern bekräftigte, war die mit 291 Passagieren und 16 Crew-Mitgliedern besetzte Maschine beim Anflug auf die Landebahn 28 L entschieden zu langsam. „Wir sprechen hier nicht von ein paar Knoten“, so Hersman. Auswertungen der Flugschreiber ergaben, dass die Boeing mit umgerechnet 160 km/h einschwebte. Erforderlich wären mindestens 250 km/h gewesen.
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Erst sieben Sekunden vor der Bodenberührung sei der Fehler den Piloten aufgefallen. Ihr Versuch, im letzten Moment zu beschleunigen, blieb erfolglos. Einen Wimpernschlag vor der Bruchlandung wurde im Cockpit ein Funkspruch aufgezeichnet, die Landung abzublasen und die Maschine nach oben zu ziehen. Zu spät. Wie konnte es zu den folgenschweren Fehleinschätzungen kommen, zumal technisches Versagen bisher ausgeschlossen wird?
Wartungsarbeiten auf dem Airport
Lee Kang-Kook wird inoffiziell fehlende Erfahrung angekreidet, jedenfalls auf diesem Fluggerät. Auf der „777“ hatte der Pilot bis zum Unglück erst 43 Stunden abgeleistet. US-Fachleute wie auch die Airline betonen jedoch, dass es weder unangebracht noch ungewöhnlich sei, Piloten „on the job“, also unter realen Bedingungen zu trainieren. Zweiter Schwerpunkt der Fehler-Analyse, so der frühere Pilot und Buchautor Barry Schiff, wird die Frage sein, ob der Pilot – kurz gesagt – in einer Extremsituation sein Handwerk verlernt haben könnte.
Schweres Flugzeug-Unglück
Zum Zeitpunkt der Katastrophe waren Komponenten des Instrumenten-Landeanflug-Systems (ILS) auf dem Airport wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet. Dazu gehört die Gleitpfad-Anzeige. Das ist ein elektronischer Leitstrahl, der das Flugzeug bei schlechten Wetterbedingungen sicher auf den Boden führen soll. NTSB-Chefin Hersman erklärte, dass dieses System in San Francisco bekanntermaßen vom 1. Juni bis 22. August nicht zur Verfügung steht, bei den meist optimalen Wetter-Verhältnissen in dieser Zeit aber auch nicht notwendig sei. Hunderte Flüge waren zuvor unter gleichen Bedingungen auf dem Airport sicher gelandet.
Der frühere NTSB-Präsident Jim Hall beklagt, dass die wachsende Automatisierung im Cockpit dazu führe, dass Piloten sich auf die Technik blind verließen und ihre Fähigkeiten einbüßten, eine Maschine im entscheidenden Moment von Hand zu fliegen. Diesem Aspekt müsse bei der Untersuchung Rechnung getragen werden.