Essen. . Die Peter-Maffay-Stiftung bringt 50 junge Menschen aus Israel, Palästina und aus dem Ruhrgebiet ins Gespräch. Manal (20), Gian (15) und Karin (14) gelingt, was die Mächtigen versäumen: Sie reden miteinander.
So nahe waren sie sich noch nie. Zum Beschnuppern nahe, zum Reden nahe, zum Berühren nahe. Israelische und palästinensische Jugendliche zusammen. Im Bus, im Hotel, in unserer Redaktion. Für viele unter ihnen ist es der Erstkontakt. Mit denen von der anderen Seite der Mauer. Eine sensible Situation, für alle. Jungs und Mädchen aus dem Ruhrgebiet sind auch dabei, in der „Botschafter“-Rolle.
Gian Dworak (15) ist einer von ihnen. Der Gymnasiast aus Bochum will Brücken bauen. Für jene, zwischen denen alle Brücken abgerissen wurden. Vor ihm sitzen zwei junge Damen: Manal Salama (20) aus Ramallah und Karin Adar (14) aus Holon bei Tel Aviv. Nun sind sie sich ganz nahe. Keine Mauer, kein Stacheldraht, kein Gewehr dazwischen. Und sie reden. Zunächst mal über Dinge, die von Politik so weit entfernt sind wie die Erde vom Mars: Erschreckend kalt ist es in Deutschland, aber wunderschön grün. Höfliche Leute auf den Straßen, aber sie sind auffallend still. Darauf können sich sogar Israelis und Palästinenser einigen.
Kann so die Freundschaft blühen?
Der Erstkontakt könnte falsche Erwartungen wecken. Nach dem Motto: Lasst sie nur miteinander reden, dann werden sie feststellen, dass sie gar nicht so unterschiedlich sind. Aber so einfach ist das nicht. Manal und Karin wissen, dass der Boden um sie herum unerhört trocken ist, um Freundschaft zu säen. „Wir sind wie alle jungen Leute. Wir shoppen gern, wir tanzen gern, wir nutzen Smartphones, wir sind nett zueinander. Aber dieser Konflikt“, sagt Manal, „der ist viel größer als wir.“
Karin ist nachdenklich. Die Fersehbilder über Palästina zeigen so viel Böses. Steinewerfer, Bombenbastler, Fanatiker. Aber diese Jungs und Mädchen von der anderen Seite, mit denen sie jetzt ein paar Tage verbringt, sind so normal. Karin denkt viel nach, über Recht und über Unrecht. Nicht erst seit dieser Begegnung. Über das, was die Nazis mit den Juden gemacht haben; über die Heimat, die die Nachkommen der Verfolgten nun haben; über den Umgang Israels mit den Palästinensern. „Ich weiß, dass die wenigsten Steinewerfer und Attentäter sind. Ich weiß, dass sich dort ganze Familien nur ein Zimmer teilen müssen, und ich habe ein Zimmer für mich alleine.“ Das hat sie gehört. Ansehen kann sie sich das nicht. Zu gefährlich. Auch wenn sie, wie sie sagt, „schon 14 1/2“ ist.
„Ich habe nie Steine geworfen“, sagt Manal. Und erzählt von ihrer Welt, aus der sie bisher selten herausgekommen ist. Von Elend und ständigen Kontrollen, vom Gefangensein hinter Grenzen. Auf die Frage, was geschehen müsste, um Frieden zu schaffen, sagt sie: „Sie müssen uns leben lassen. Wir können heute nicht richtig leben.“
Keine Rebellion gegen die Älteren
Manal und Karin sind jung, aber keine Träumerinnen. Sie rebellieren nicht, wie die Jugend in der Türkei oder in Brasilien. Sie wissen, dass die Vergangenheit schlecht war und die Zukunft vielleicht nicht besser wird. „Was passiert ist, ist nicht leicht zu vergessen“, meint Manal. An einer Stelle des Gesprächs wagt Karin einen Nadelstich gegen die Generationen der Eltern und Großeltern auf beiden Seiten. „Die Älteren haben uns diesen Konflikt gegeben, und nun sagen sie: Löst ihn.“ So weit geht Manal nicht. Sie glaubt, die Vorfahren hatten gar keine andere Wahl.
Was müsste passieren in Israel und Palästina? Karin kennt die Optionen. Ein Staat für alle vielleicht oder ein Staat für die einen und einer für die anderen. Die Schülerin meint, dass es gut wäre, wenn alle in einem Staat lebten. Aber wie ist das zu schaffen? Das wissen ja noch nicht einmal die Mächtigen.
„Wir sind die Zukunft. Einige von uns werden Politik machen“, sagt Gian aus Bochum in seiner Rolle als Botschafter. So weit könnte es kommen. Aber im Moment ist es doch nur ein erstes Beschnuppern.