Berlin. Nach mehreren schweren Zwischenfällen, an denen betrunkene Soldaten beteiligt waren, geht die Bundeswehr laut einem Medienbericht jetzt schärfer gegen Alkoholmissbrauch vor. Demnach hat sind seit Mitte Februar 14 Soldaten wegen Trunkenheit im Einsatz vorzeitig zurück nach Deutschland geschickt worden.
Die "Lili-Bar" liegt weit außerhalb der nordafghanischen Stadt Kundus, wo wie überall im Land Alkoholverbot herrscht. Im Bundeswehr-Feldlager deuten nur eine schwache Lampe und ein unscheinbares Schild auf die versteckte Kneipe hin, die nach dem Schlager über die Soldatenbraut "Lili Marleen" benannt ist. Umstellt ist die kleine Bar mit "Hescos", die mit Kies befüllten Maschendrahtbehälter sollen bei Raketenbeschuss Splitter abwehren. An der Theke gibt es eine Dose Pils für weniger als einen Euro, Weizenbier ist etwas teurer, auch Wein ist im Angebot.
"Spiegel Online" berichtet nun, dass sich Fälle von übermäßigem Alkoholkonsum bei der Bundeswehr in Afghanistan so gehäuft haben, dass Kommandeur Jörg Vollmer dagegen vorgehe. So habe ein Soldat, der sich vor kurzem in Masar-i-Scharif vermutlich selbst erschoss, zwei Promille Alkohol im Blut gehabt. Ob Alkohol im Krieg eine gute Idee ist, haben die Truppensteller für sich unterschiedlich beantwortet. Bei Amerikanern, Niederländern und Australiern etwa herrscht striktes Alkoholverbot. Eine Dose Bier kann reichen, um mit dem nächsten Flieger unehrenhaft nach Hause geschickt zu werden.
Offiziell gilt die Zwei-Dosen-Regelung
Franzosen hingegen dürfen in Maßen konsumieren - wie Deutsche auch. Für die Bundeswehr gilt offiziell die Zwei-Dosen-Regelung. Jeder Soldat darf am Abend entweder zwei kleine Dosen Bier, einen halben Liter Weizenbier oder ein Glas Wein trinken. Erfahrungsgemäß gehen die allermeisten Soldaten verantwortungsvoll mit Alkohol um. Viele trinken während des monatelangen Aufenthaltes gar nichts. Journalisten, die seit Jahren Patrouillen begleiten, kennen keinen Fall, bei dem deutsche Soldaten im gefährlichen Einsatz außerhalb des Camps alkoholisiert aufgefallen wären.
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Wer es aber unbedingt darauf anlegt, der findet Wege, die Regelung zu umgehen. Dosen können zumindest im Camp in Kundus gehortet werden. Sanitätsalkohol aus Feldlazaretten kann mit Wasser und Limonadenpulver aus den Bundeswehr-Verpflegungspaketen zu einem sehr kräftigen und angeblich katerfreien Cocktail gemischt werden.
Kneipentour im Lager möglich
Ohnehin wird die Regelung je nach Standort unterschiedlich gehandhabt. Im größten Camp in Masar-i-Scharif wird Alkohol nur in den sogenannten Betreuungseinrichtungen wie dem "Planet Mazar" und nur gegen Bezugsschein ausgegeben. Zeitweise wurden die Dosen direkt an der Theke geöffnet, damit sie eben nicht gehortet werden können. Im Hauptquartier der Internationalen Schutztruppe Isaf in Kabul gibt es für Deutsche gar keinen Alkohol, seit ihn der damalige Isaf-Kommandeur 2009 auch für Nicht-Amerikaner verbieten ließ.
In Kundus dagegen gilt die Zwei-Dosen-Regelung zwar, sie wird aber bislang nicht überprüft. Dort haben Einheiten ab einer bestimmten Größe die Möglichkeit, neben der Betreuungseinrichtung - dem Lummerland - sogenannte Nebentheken wie die "Lili" zu eröffnen. Die "Lili" wird von der Schutzkompanie betrieben, auch die Pioniere haben eine Bar, die der Sanitäter sticht wegen des vergleichsweise hohen Anteils an Soldatinnen hervor. Theoretisch könnten Soldaten im Feldlager auf Kneipentour gehen, ohne dass das an dem Abend selber notwendigerweise auffallen müsste.
BundeswehrBier unter Kameraden gehört dazu
Dennoch seien Exzesse äußerst selten, sagt ein früherer Offizier, der zuletzt vor einem Jahr in Kundus diente und dort insgesamt rund 18 Monate eingesetzt war. "Selbst in Fällen, in denen die Zwei-Dosen-Regelung gebrochen wurde, stand die Dienstfähigkeit immer im Vordergrund", sagt er. "Ich habe es ein einziges Mal erlebt, dass jemand in meiner Einheit morgens nach Alkohol roch. Den habe ich so zusammengefaltet, dass er nie wieder getrunken hat."
Der Ex-Offizier, der anonym bleiben möchte, ist gegen ein generelles Alkoholverbot. "Gerade unter Deutschen gehört es dazu, im Wesen der Kameradschaft abends auch mal ein Bierchen miteinander zu trinken", sagt er. "Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, eine härtere Regelung zu erlassen." Wer unbedingt trinken wolle, der finde immer Mittel und Wege dazu. "Die Frage ist, ob ein Verbot nicht dazu führen würde, dass heimliche Exzesse zunehmen würden." (dpa)