Athen. . Griechenland hat den staatlichen Rundfunk ERT geschlossen. Kein Bild, kein Ton mehr - seit Dienstagnacht. 2656 Journalisten, Techniker und Verwaltungsangestellte verlieren ihre Jobs. Grund für die Schließung: die Regierung in Griechenland muss sparen.
Langes Siechtum, plötzlicher Tod: So lässt sich das Ende des griechischen Staatsfunks Elliniki Radiotiliorasi (ERT) wohl am besten beschreiben. Seit Dienstag um Mitternacht existiert der Sender nicht mehr. Die vom konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras angeordnete Schließung bringt 2656 Journalisten, Techniker und Verwaltungsangestellte um ihre Jobs. Sie erhalten eine Abfindung. Die Redakteure haben aber kaum Hoffnung auf neue Jobs in ihrem Beruf, denn mehrere Tausend griechische Journalisten sind wegen der Krise bereits arbeitslos. Die Opposition vermutet, dass die Rundfunkanstalt auf Druck der Troika geschlossen wurde – Griechenland muss im Rahmen des Sparprogramms bis Ende des Jahres 5000 Staatsbedienstete entlassen, 2000 davon noch im Juni.
Abenteuerlich hohe Gehälter
Die Belegschaft wehrt sich gegen die Schließung: Hunderte Mitarbeiter halten das ERT-Funkhaus im Athener Stadtteil Agia Paraskevi besetzt. Nachdem die Sender in der Nacht zum Mittwoch abgeschaltet wurden, senden die Redakteure aus einem besetzten Studio ein Live-Programm über Internet. Die Journalistengewerkschaft rief zu Solidaritätsstreiks auf. Am Mittwoch gab es deshalb auch im Privatfunk keine Nachrichten.
„Die Regierung hat entschieden, ERT zu schließen“, sagte Regierungssprecher Simos Kedikoglou am Dienstag im TV-Sender NET, dem Informationskanal des Staatsfernsehens, „die Sendungen werden heute um Mitternacht eingestellt“. An die Stelle von ERT soll „ein moderner, öffentlicher, nicht vom Staat oder von Parteien kontrollierter Radio- und TV-Sender treten“, kündigte Kedikoglou an. Die neue Anstalt soll nach dem Vorbild europäischer öffentlich-rechtlicher Sender organisiert werden, nur noch 1200 Mitarbeiter haben und Ende August auf Sendung gehen. Zu einer Zeit, da überall gespart werden müsse und das griechische Volk große Opfer bringe, dürfe es „keine heiligen Kühe“ geben, sagte der Regierungssprecher – zumal ERT „ein Beispiel einzigartiger Intransparenz und unglaublicher Verschwendung“ sei. 290 Millionen Euro zahlen die Griechen im Jahr für den Staatsfunk, die Zwangsgebühren werden mit der Stromrechnung eingezogen. Hinzu kommen Zuschüsse aus dem Staatshaushalt und Werbeeinnahmen. Der Sender verschlinge bis zu siebenmal so viel Geld wie andere öffentlich-rechtliche Anstalten in Europa, sagt die Regierung.
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Bis Ende der 1980er-Jahre hatte der Staatsfunk ein Monopol. Seit Anfang der 1990er-Jahre gingen in Griechenland Hunderte private Radio- und TV-Stationen auf Sendung. Die Staatsanstalt ERT führte mit ihren drei überregionalen TV-Programmen, sieben landesweiten und 19 regionalen Radiosendern sowie drei Orchestern ein Schattendasein. Viele Sendungen hatten so wenig Publikum, dass die Quote kaum noch messbar war.
Umso stolzer waren die Gehälter, die viele Journalisten kassierten. Zwei Moderatoren bekamen für ihre Auftritte beim Frühstücksfernsehen 324.000 Euro im Jahr. Eine Nachrichtensprecherin wurde mit 218.976 Euro pro Jahr entlohnt. Der Cousin eines Ex-Regierungssprechers erhielt für seine einmal in der Woche ausgestrahlte Sendung 84.000 Euro im Jahr.
Die Privaten sind auch nicht neutral
Der griechische Gewerkschaftsbund GSEE protestierte gegen die Schließung: ERT gehöre der Bevölkerung, sei das einzige unabhängige Massenmedium und müsse deshalb öffentlich bleiben. Unabhängig war ERT allerdings nie, sondern stets ein Instrument der jeweiligen Regierung. Nach jedem Regierungswechsel wurden nicht nur die Chefposten neu besetzt. Auch über einen Job als Moderator, Redakteur oder Korrespondent entschied das Parteibuch. Die journalistische Glaubwürdigkeit der Staatskanäle war deshalb nicht besonders groß.
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Wirklich unabhängig sind aber auch die Privatsender nicht. Sie befinden sich überwiegend in der Hand von Unternehmern, die sich über ihre Medien politischen Einfluss zu sichern versuchen. Vor allem griechische Bauunternehmer und Reeder halten sich deshalb Radio- und Fernsehsender.