Athen. Mit einem landesweiten unbefristeten Streik reagieren Journalisten in Griechenland auf das plötzliche Sende-Aus des Staatsrundfunks ERT. Die griechische Regierung hatte am Dienstag Beschlossen, den Sendebetrieb noch in der Nacht zu Mittwoch einzustellen.

Nach dem überraschenden Beschluss der Regierung in Athen, den staatlichen Hörfunk- und Fernsehsender ERT zu schließen, sind alle griechischen Journalisten am Mittwochmorgen in den Streik getreten. In allen griechischen Radio- und Fernsehsendern gibt es seit 6 Uhr Ortszeit keine Nachrichten mehr. "Wir werden solange streiken, bis die Regierung ihren Beschluss zurücknimmt", sagte der Präsident des Verbandes der Athener Zeitungsredakteure (ESIEA), Dimitris Trimis. Wegen des Streiks wird es am Donnerstag in Griechenland keine Zeitungen geben.

Der griechische Staatsrundfunk ERT soll Ende August nach einer Sanierung wieder den Sendebetrieb aufnehmen. Dies erklärte am Mittwoch der griechische Regierungssprecher Simos Kedikoglou in Athen. "Die ERT schließt nicht. Was schließt, ist ein in Schieflage und auf faule Fundamente gebautes "Bauwerk"", sagte er. Die neue griechische Hörfunk- und Fernsehanstalt solle nur noch etwa 1200 Angestellte haben - statt bislang rund 2600 - und NERIT heissen. Die neue Institution werde unabhängig sein. "In Europa gibt es keine Journalisten als Staatsbedienstete", sagte der Regierungssprecher.

Regierung prangert "unglaubliche Verschwendung" bei Staatsrundfunk an

Die Regierung in Athen hatte am Dienstag überraschend beschlossen, die staatliche Rundfunk- und Fernsehanstalt (ERT) zu schließen. In der Nacht zum Mittwoch wurde ein staatliches TV-Programm nach dem anderen abgeschaltet. Auch die öffentlichen Radiostationen stellten den Sendebetrieb ein. Das griechische Finanzministerium erklärte am Abend, das Unternehmen ERT existiere nicht mehr. Damit geht eine 75-jährige Ära in der Medienlandschaft Griechenlands zu Ende. Das erste staatliche Rundfunkprogramm war im Jahr 1938 ausgestrahlt worden.

Insgesamt sollen rund 2900 Techniker, Angestellte und Journalisten ihre Arbeit verlieren, berichteten griechische Medien. Sie sollen eine Abfindung erhalten. "Es kann keine heiligen Kühe geben, die nicht geschlachtet werden können, wenn überall gespart wird", sagte der Regierungssprecher. Das staatliche Radio - und Fernsehen sei ein klassisches Beispiel für "unglaubliche Verschwendung" mit Kosten von 300 Millionen Euro im Jahr und siebenmal mehr Personal als vergleichbare Anstalten. "Das alles endet heute Abend", sagte der Regierungssprecher. Die ERT gilt als eine der letzten Bastionen des griechischen Vetternwirtschaftssystems.

Journalisten-Verband kündigte Streiks an

Große Änderungen könne es "ohne radikale Maßnahmen nicht geben", hieß es. Angestellte des staatlichen Fernsehens sagten der Nachrichtenagentur dpa, sie seien "schockiert" und wollten das Zentralgebäude in der Athener Vorstadt Agia Paraskevi besetzen. Der Verband der griechischen Journalisten kündigte Arbeitsniederlegungen an. Das Fernsehen zeigte, wie sich aufgebrachte Angestellte versammelten. Die Europäische Runfunkunion (EBU) kritisierte den Beschluss der Regierung in Athen.

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Geschlossen werden drei landesweit ausgestrahlte TV-Programme, ein über Sattelit ausgestrahltes Programm, sieben landesweit ausgestrahlte Radioprogramme sowie 19 regionale Radiosender. Geplant sei, in den nächsten Monaten ein neues Konzept für einen kleineren staatlichen TV- und Hörfunk-Sender mit rund 1000 Mitarbeitern auszuarbeiten, hieß es in Athen. Vorbild sollten die modernsten Anstalten Europas sein.

Griechischer Erzbischof Hieronymus II.: "Schließung undenkbar"

Die Gewerkschaft der Staatsbediensteten (ADEDY) rief zum Widerstand gegen den Regierungsbeschluss auf. Versammlungen gab es vor den Gebäuden des staatlichen Radios in allen Provinzen. Zudem meldeten sich hunderte Auslandsgriechen telefonisch und über das Internet und forderten die Rücknahme des Beschlusses. Auch der griechische Erzbischof Hieronymus II. bezeichnete die Schließung als "undenkbar".

Die Schließung der ERT wurde zunächst mit einem Ministerialerlass angeordnet, den nur die Minister unterzeichneten, die der größten Regierungspartei Nea Dimokratia (Konservative) nahestehen. Die Minister der Sozialisten und der Demokratischen Linken haben nicht unterzeichnet, gaben die beiden Partein bekannt. Des entsprechende Gesetz soll später verabschiedet werden. Beobachter befürchteten jedoch, dass das Gesetz im Parlament zu Turbulenzen führen könnte. Sprecher der beiden kleineren Koalitionsparteien erklärten am Dienstagabend, ihre Abgeordneten würden das Gesetz nicht billigen.

"Ein barbarischer und antidemokratischer Akt"

Krawalle in Griechenland

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Griechenland muss im Rahmen seines Konsolidierungsprogramms bis Ende des Jahres 4000 Staatsbedienstete entlassen. Bis Ende 2014 sollen 15 000 gehen. Die EU-Kommission in Brüssel betonte erst am Dienstag, es sei wichtig, dass Athen die vereinbarten Reformen des laufenden Programms in die Tat umsetze. Mit Blick auf den gescheiterten Verkauf des griechischen Gasversorgers Depa sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn, er sei zuversichtlich, dass die nächste Privatisierungsrunde erfolgreich sein werde.

Österreichs öffentlich-rechtlicher Sender ORF hat die Schließung des griechischen Staatsrundfunks ERT verurteilt. Es sei ein "barbarischer und antidemokratischer Akt", kritisierte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz am Mittwoch in Wien. Dieser Schritt ohne vorherige öffentliche Debatte sei "einmalig in der europäischen Geschichte, unverantwortlich und extrem unprofessionell". Zwar bestehe bei der Entwicklung des Senders Handlungsbedarf. Ihn einfach abzuschalten, sei aber definitiv der falsche Weg.

Der ORF-Publikumsrat kritisierte die Stilllegung in einem offenen Brief, der unter anderem an die griechische Botschaft in Wien und die österreichische Botschaft in Griechenland gehen soll. Darin fordert der Rat die griechische Regierung auf, die Schließung zurückzunehmen. Sie sei "eine Gefahr für den demokratischen Diskurs und die Pressefreiheit in Griechenland".(dpa)