Washington. . So stellen wir uns einen Nerd vor: ein bisschen milchbubihaft, Brille, natürlich, und eine gesunde Computerbräune. Dieser unscheinbare Mann heißt Edward Snowden. Er hat gerade die Sicherheitsbehörde der USA bloßgestellt. Und sagt: Für mich gibt es keine Rettung.
Diese Geschichte hat man natürlich schon mal in irgendeinem Hollywoodthriller gesehen. Edward Snowden hat allerdings das Pech, dass er nicht darauf hoffen darf, Denzel Washington oder Russell Crowe zögen ihn aus dem Schlamassel, und die bösen Jungs von der amerikanischen Regierung stünden am Ende alle wie Idioten da. Edward Snowden, 29, ein blasser Bursche mit Dreitagebart und Brille, ein Typ Marke Internetfreak, sitzt in einem Hotelzimmer irgendwo in Hongkong und hat vermutlich nicht so gut geschlafen. Denn man schläft nicht so gut, wenn man weiß, dass die Nationale Sicherheitsbehörde der USA, die NSA, gerade fürchterlich sauer auf einen ist. Und der Präsident erst.
Edward Snowden ist der Mann, der das gigantische amerikanische Überwachungsprogramm „Prism“ öffentlich gemacht hat. Oder wie es Daniel Ellsberg, der Anfang der 70er-Jahre mit den „Pentagon-Papieren“ eine geheime Analyse zur US-Rolle in Vietnam an die Öffentlichkeit brachte, am Montag im britischen „Guardian“ kommentierte: „Der Mann, der uns vor den Vereinigten Stasi von Amerika rettete.“ Snowden lieferte die geheimen Unterlagen für die aktuellen Berichte über ein massenhaftes Abgreifen von Nutzerdaten bei amerikanischen Internetfirmen.
"Ich kann der NSA nicht erlauben, die Freiheit zu zerstören"
In einem Interview mit dem „Guardian“ hat er sich zum Geheimnisverrat bekannt. „Sie haben keine Ahnung, was alles möglich ist“, sagt er darin. „Die NSA hat eine Infrastruktur aufgebaut, die ihr erlaubt, fast alles abzufangen.“ Mit einer Prise Pathos fügt er hinzu: „Ich kann der US-Regierung nicht erlauben, die Privatsphäre, die Freiheit im Internet und die Grundrechte zu zerstören.“
Wer ist dieser junge Mann, der sich derart in Gefahr begibt und vor allem in Onlineforen schon als Held der Demokratie gefeiert wird? Ein Überzeugter auf jeden Fall, denn persönlich zu gewinnen hat er nichts. Edward Snowden aus North Carolina ist ein High-School-Abbrecher mit IT-Ausbildung, erzählt er, ein Computerfachmann halt, kein Geheimdienst-Analyst im klassischen Sinne. Er arbeitete auch nicht direkt bei der NSA, sondern war mit ihr auf seinem Stützpunkt in Hawaii über den externen Beratungsriesen Booz Allen verbunden, der heute pflichtschuldigst mitteilen lässt, man sei „schockiert“, Snowden habe den Firmenkodex gebrochen. Umso erstaunlicher, dass er der NSA sogar von außen auf die Schliche kam. Nach eigenen Worten hätte er selbst die private E-Mail-Adresse von Barack Obama ausspionieren können.
Keine Hoffnung, die Heimat wiederzusehen
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Im Mai kopierte Snowden das Geheimmaterial an seinem Arbeitsplatz, flog nach Hongkong, tauchte unter, ließ seine Freundin auf Hawaii zurück. Warum ausgerechnet Hongkong? Die frühere britische Kolonie habe eine „starke Tradition der freien Meinungsäußerung“ , fabulierte er im Gespräch mit dem „Guardian“.
Hongkong hat zwar ein Auslieferungsabkommen mit den USA, aber ein Auslieferungsverfahren könnte Monate oder sogar Jahre dauern, glauben Experten. Snowden selbst sagte: „Ich rechne nicht damit, meine Heimat wiederzusehen.“ Der „Washington Post“ erzählte er, er bemühe sich um Asyl „in jedem Land, das an die Meinungsfreiheit glaubt“ und sich gegen den Verlust der Privatsphäre stemme. Island sei ein möglicher Kandidat; dort gelten Presse- und Meinungsfreiheit als besonders geschützt.
Einen Journalisten der „Post“ warnte Snowden, der Geheimdienst würde diesen „mit ziemlicher Sicherheit töten“, wenn dadurch die Enthüllungen gestoppt werden könnten. „Für mich“, setzte er hinzu, „gibt es keine Rettung.“ Es ist eben kein Hollywoodfilm.