Berlin. Dass abends nur noch eine Handvoll Abgeordneter im Bundestag sitzt, stört normalerweise niemanden. Doch wenn man ein Gesetzesvorhaben verzögern will, kann man den Mangel an anwesenden Parlamentariern durchaus zu seinen Gunsten nutzen. Das hat die Linke am Donnerstagabend getan.
Die Sitzung des Bundestags ist am Donnerstagabend vorzeitig abgebrochen worden. Nachdem nur 268 der insgesamt 620 Abgeordneten an einer Abstimmung teilgenommen hatten, teilte Parlamentsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) mit, dass der Bundestag beschlussunfähig sei. Die Sitzung werde daher "aufgehoben".
Nach der Geschäftsordnung ist das Parlament nur dann beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist. Die erforderliche Zahl von 311 Parlamentariern wurde jedoch verfehlt, als Jörn Wunderlich von der Linken die Beschlussfähigkeit des Parlaments anzweifelte und daraufhin ein sogenannter Hammelsprung durchgeführt werden musste.
Dünne Besetzung im Plenum ist nicht ungewöhnlich
Gerade bei abendlichen Debatten und Abstimmungen ist es üblich, dass nur eine Handvoll Abgeordneter im Bundestag sitzt. Dass deswegen die Beschlussfähigkeit angezweifelt wird, ist jedoch die absolute Ausnahme und hat in der Regel einen politischen Hintergrund.
Einen vergleichbaren Fall gab es im vergangenen Jahr. Damals provozierte die Opposition einen Abbruch der Plenarsitzung und verzögerte damit die Entscheidung über das umstrittene Betreuungsgeld. Was diesmal der Auslöser war, blieb zunächst unklar. Bei der Linken war am Abend niemand mehr zu erreichen. CDU und CSU zeigten sich überrascht. Welche Motivation dahinter stecke, sei völlig schleierhaft, hieß es aus der Unions-Fraktion. Volker Beck von den Grünen twitterte: "Die Linke hat wohl ein Rad ab, worum geht es denn?"
Was wollte die Linke erreichen?
Möglicherweise wollte die Linke die unmittelbar bevorstehende Abstimmung über ein umstrittenes Arzneimittelgesetz verhindern. Die schwarz-gelbe Koalition wollte damit Erleichterungen für die Pharmaindustrie durchsetzen, was von der Opposition jedoch als Wahlgeschenk zulasten von Patienten und Krankenkassen kritisiert wurde.
Wenn vor Beginn einer Abstimmung die Beschlussfähigkeit des Bundestags offiziell angezweifelt wird, dann muss nach Paragraf 45 der Geschäftsordnung zwingend ein Hammelsprung durchgeführt werden. Bei diesem Verfahren verlassen alle Abgeordneten den Saal, um anschließend durch eine bestimmte Tür wieder hereinzukommen - je nachdem, ob sie mit Ja, Nein oder Enthaltung stimmen wollen.
Sitzung wurde abgebrochen
Bei der Abstimmung, bei der es ausschließlich darum ging, einen Gesetzentwurf für erledigt zu erklären, kam die erforderliche Zahl von 311 Parlamentariern nicht zusammen. Daraufhin wurde die Sitzung abgebrochen, obwohl noch rund 40 Tagesordnungspunkte auf dem Programm standen - darunter auch eine Reihe von Abstimmungen über Gesetzentwürfe, etwa zur vertraulichen Geburt und zur Beibehaltung der Filmabgabe. (dpa)