Essen. Das Gymnasium ist die beliebteste Schulform, die Hauptschule die unbeliebteste: Das geht aus dem aktuellen Bildungsreport des Statistischen Landesamtes hervor. Bildungsforscher Rösner geht davon aus, dass sich der Trend weiter fortsetzt - immer mehr wünschen sich das Abitur für ihre Kinder.
Essen. Der schleichende Tod der Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen wird durch harte Zahlen im aktuellen Bildungsreport des Statistischen Landesamtes untermauert. Immer weniger Schüler gehen nach der vierten Klasse an eine Hauptschule. Das Gymnasium festigt seine Position als beliebteste Schulform. „Die Hauptschuloffensive der Landesregierung verpufft”, meint der Bildungsforscher Ernst Rösner vom Institut für Schulentwicklungsforschung Dortmund.
Insgesamt sinken aus demographischen Gründen die Schülerzahlen in NRW. Doch die Hauptschulen hatten im Schuljahr 2008/09 laut Bildungsreport die stärksten Verluste zu verzeichnen. Die Zahl sank im Vergleich zum Vorjahr um 7,1 Prozent und erreichte mit insgesamt 216 643 Hauptschülern einen neuen Tiefstand. Einen leichten Anstieg (0,3 Prozent) konnten die Gesamtschulen verbuchen. An den Gymnasien hingegen stieg die Schülerzahl gegen den demographischen Trend um 0,7 Prozent und erreichte mit knapp 600 000 Schülern den höchsten Wert seit 1983.
Eltern wünschen sich für die Kinder das Abitur
Der Anteil der Schüler, die von der Grundschule an eine Hauptschule wechselten, ging weiter zurück und liegt mit 14,5 Prozent auf dem bislang niedrigsten Niveau, so der Report. „In den nächsten Jahren wird sich dieser Trend weiter fortsetzen”, ist sich Bildungsforscher Rösner sicher. Der Grund: „Immer mehr Eltern wünschen sich das Abitur für ihre Kinder, das ist eine bundesweite Entwicklung.” Rösner bezeichnet dies als „Anspruchsspirale”: Die Eltern wollten, dass die Kinder einen besseren Abschluss errreichen als sie selbst. Das sei vor dem Hintergrund der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt nachvollziehbar, erklärt Rösner. Konnte der Vater mit Hauptschulabschluss Kfz-Mechaniker werden, so heißt dieser Beruf heute Kfz-Mechatroniker. „Will der Sohn den Beruf seines Vaters ergreifen, macht er dafür heute besser das Abitur.”
Diese Spirale drehe sich immer weiter. Zerrieben werden dadurch die Haupt- und auch die Realschule. „Die Realschulen konnten bisher ihre Verluste ausgleichen, indem sie im Bereich der Hauptschule wilderten. So fand in den letzten Jahren ein riesiger Schüleraustausch statt. Die Realschulen heute sind die Hauptschulen von damals.”
Auch Realschulen verlieren Schüler
Doch das Potenzial für die Realschulen sei durch sinkende Schülerzahlen nun erschöpft. Die Folge: Auch sie verlieren. „Und es gibt keine Politik, die an diesem Trend etwas ändern könnte”, sagt Rösner. Alles dränge in Richtung gymnasialer Standards. „Die Hauptschule ist definitiv eine auslaufende Schulform”. Doch die Bildungspolitik auch in NRW halte eisern an alten Strukturen fest. Rösner fordert, ein „bedarfsgerechtes Schulsystem” zu schaffen und vielfältige Modelle zuzulassen. „Fragt die Eltern, fragt die Wirtschaft, fragt Lehrer und Bürgermeister was sie wollen.”
Der Report verzeichnet überdies eine steigende Betreuungsquote bei Kindern unter drei Jahren: 42 390 Kleinkinder wurden im März 2008 betreut, damit stieg die Quote von 6,9 auf 9,3 Prozent. Ziel der Landesregierung war es, bis 2010 rund 90 000 Plätze für kleine Kinder anzubieten, das entspräche einer Betreuungsquote von etwa 20 Prozent. Diese Zahlen nennt das Kinderbildungsgesetz (Kibitz).