Essen. . Politik und Bildungsexperten machen sich bereits Gedanken über eine einheitliche Lehrerausbildung und -bezahlung für alle Schulformen. Die Idee kommt aus dem grün-rot regierten Baden-Württemberg. Bedroht sie den mühsam geschlossenen Schulfrieden in NRW?
Es ist ruhig geworden um die Schulstruktur in NRW nach dem mühsam errungenen Schulfrieden von 2011. Seitdem existieren Sekundar- und Gesamtschulen neben dem dreigliedrigen Schulsystem aus Gymnasium, Realschule und den auslaufenden Hauptschulen. In Baden-Württemberg indes flammt ein neuer Schul-Streit auf – und das macht auch die Schulexperten in NRW nervös.
Denn eine Expertenkommission unter Leitung der ehemaligen Berliner Schulsenatorin Sybille Volkholz (Grüne) hat der Stuttgarter Landesregierung empfohlen, die bisherige – nach Schultypen unterscheidende – Lehrerausbildung schlicht abzuschaffen.
Alle müssen alles können – und werden gleich bezahlt
Stattdessen sollen alle Lehramtsabsolventen, die ab Klasse fünf unterrichten wollen, ein einheitliches Niveau erreichen. Gymnasiallehrer, Hauptschullehrer, Sonderpädagoge – diese bisher praktizierte Spezialisierung soll es nicht mehr geben. Alle müssen alles können und werden gleich bezahlt. Sonderpädagogische Inhalte werden integriert, um besser für den gemeinsamen Unterricht von Behinderten und Nichtbehinderten gewappnet zu sein.
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Bei Grün-Rot in Baden-Württemberg fiel die Empfehlung auf fruchtbaren Boden. Noch vor der Sommerpause wollen Kultusminister Andreas Stoch (SPD) und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) einen entsprechenden Gesetzentwurf präsentieren. Und auch der Berliner Senat, der von der Kommission bereits im letzten Herbst eine ähnliche Empfehlung bekam, plant eine Reform der Lehrerausbildung.
Was sagt Rot-Grün in Düsseldorf?
„Der Einheitslehrer kommt“, warnen nun Lehrerverbände. Gewerkschaften und Bildungsforscher finden indes lobende Worte für die angedachte Reform. Und die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf?
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Sie schweigt bisher, fürchtet sich womöglich vor dem neuen Kampfbegriff „Einheitslehrer“ – und den alten Fronten, die eben durch den mit der CDU geschlossenen Schulfrieden überwunden schienen. „Erst mal abwarten“, heißt es aus den Landtagsfraktionen und auch aus dem Schulministerium – bis Rot-Grün Ende dieses Jahres Bilanz zieht zum gegenwärtigen Stand der Lehrerausbildung, die erst im Jahr 2009 mit mehr Praktika und der Umstellung für Bachelor- und Masterstudiengänge reformiert wurde.
Die Experten in NRW debattieren längst
Außerhalb der Parteien wird in Nordrhein-Westfalen über den vermeintlichen Einheitslehrer allerdings längst offen diskutiert. Der Dortmunder Bildungsforscher Ernst Rösner etwa hält es für überfällig, alle Lehrer – unabhängig von ihrem späteren Einsatzort – als so genannte Sekundarlehrer fit zu machen für die Integration starker wie schwacher Schüler, für gemeinsamen Unterricht mit Behinderten und neue Unterrichtsformen wie Freiarbeit.
Peter Silbernagel, Chef des Philologenverbandes NRW, lobt zwar viele Reformen in der Lehrerausbildung wie die intensive Beratung von Studenten (das so genannte Coaching) und den Praxisbezug. Vom „Einheitslehrer“ hält er aber wenig: „Wenn nur noch Allrounder unterrichten, geht das auf die fachwissenschaftliche Qualität.“