Essen.

Die von türkischen Konsulaten verteilte Schulbuchreihe sorgt für heftige Diskussionen unter vielen Türkischstämmigen in NRW. Am Rande einer Buchvorstellung („Die Elegie der Gastarbeiterschaft“) im Essener Katakomben-Theater diskutierten die Gäste auch sehr kontrovers über die in die Kritik geratenen türkischen Schulbücher.

Sinan Kumru (SPD), Ratsherr und Mitglied im Schulausschuss der Stadt Essen, hält die Bücher für den muttersprachlichen Unterricht in Deutschland für ungeeignet. „Es fehlt der objektive, neutrale Blick auf die Geschichte der Türkei.“ Kumru, der in der Türkei zur Schule gegangen ist, meint aber auch, dass die Schulbücher in den 1980er-Jahren „viel schlimmer“ gewesen seien. Er fordert das NRW-Schulministerium auf, das Schulbuchangebot der türkischen Konsulate (Titel: „Türkisch und türkische Kultur“) auf seine Tauglichkeit für den Türkischunterricht in Deutschland zu prüfen.

Diese Bücher haben keine Zulassung

Eine Sprecherin des Schulministeriums betonte gegenüber dieser Zeitung, dass es sich bei den Büchern nicht um zugelassene Lehrmaterialien handele. In NRW seien 436 Einzel-Lernmittel für den Türkischunterricht zugelassen. Die in Fachkreisen geäußerte Kritik, dass es zu wenig Angebote gäbe, sei daher ungerechtfertigt. Die in die Diskussion geratenen Bücher werden derzeit vom Ministerium überprüft. Das Ministerium hat vom türkischen Generalkonsulat in Düsseldorf erfahren, dass die Schulbuchreihe nicht flächendeckend verschickt worden sei. „Sie wurde Lehrern auf deren Bitte hin zugeschickt“, heißt es.

Die Lehrergewerkschaft GEW hatte mit ihrer Kritik, die Bücher seien nationalistisch und geschichtsverfälschend, den Stein ins Rollen gebracht. Nach einer tiefergehenden Analyse der Bücher verschärft die GEW ihre Kritik: „Alle Bücher behandeln die Bereiche Sprache, Geografie, Geschichte, Religion und das Leben von Atatürk. Diese Themen werden ausschließlich aus der türkisch-sunnitischen Perspektive formuliert, die von Diyanet, dem staatlichen Amt für religiöse Angelegenheiten, verantwortet wird.“ Angehörige anderer Religionen würden nicht thematisiert oder negativ dargestellt. Die Gewerkschaft kritisiert, dass die Bücher die ethnische und religiöse Heterogenität der Türkei und der türkischstämmigen Schülerschaft an deutschen Schulen nicht berücksichtigt und mit ihren Inhalten „ein friedliches Zusammenleben be- bzw. verhindert.“

50 000 Schüler in NRW

Auch Sinan Kumru kritisiert, dass nur der sunnitische Islam gelehrt werde: „Das ist Propagandamaterial der türkischen Regierung und muss überarbeitet werden.“ In NRW lernen im Schuljahr 2012/13 rund 50 000 Schüler an 830 Schulen Türkisch im herkunftssprachlichen Unterricht. 339 Lehrer sind dafür qualifiziert.