Moskau. Schlechte Noten für den sowjetischen Reformer Michail Gorbatschow: Der 82-jährige Friedensnobelpreisträger ist in einer Umfrage in Russland zum unbeliebtesten Kreml-Herrscher der Geschichte gewählt worden. Am beliebtesten sind Lenin, Stalin und Breschnew. Ein Historiker bemängelt das fehlende geschichtliche Wissen der Menschen.
Der Friedensnobelpreisträger und sowjetische Reformer Michail Gorbatschow (82) ist in einer Umfrage zum unbeliebtesten Kremlherrscher der Geschichte gewählt worden. 66 Prozent der vom unabhängigen Meinungsforschungsinstitut Lewada befragten Russen gaben eine "negative" Einstellung gegenüber dem Vater von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) an.
Am beliebtesten mit jeweils rund 50 Prozent Zustimmung schnitten Revolutionsführer Lenin, der blutrünstige Sowjet-Diktator Josef Stalin und der sowjetische Dauerherrscher Leonid Breschnew ab. Mehrfache Stimmabgaben waren möglich.
Michail Gorbatschow
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Michail Sergejewitsch Gorbatschow wird 80 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!
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Im März 1985 wurde Michail Sergejewitsch Gorbatschow Generalsekretär der KPdSU. Was schon damals auffiel: Der Mann war 55, viel jünger als seine greisen Vorgänger Tschernenko, Andropow und Breschnew, die alle im Amt verstarben. Gorbatschow...
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...war von seinem bisherigen Werdegang Aparatschik durch und durch. Hier sieht man ihn als zweiten von rechts bei der Mai-Parade 1983 vor dem Lenin-Mausoleum. Doch er war auch Pragmatiker. Margaret Thatcher,...
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...die britische Premierministerin, hatte gleich einen guten Eindruck von ihm. "We can do business with him", urteilte sie - "Mit ihm kann man ins Geschäft kommen." Das Bild ist von 1985. "Ein moderner kommunistischer Führer,...
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...der etwas von PR versteht. Und Goebbels verstand auch was von PR, man muss doch mal die Dinge auf den Punkt bringen!" Das war das Urteil von Helmut Kohl 1986. Ein holpriger Start, doch das Verhältnis besserte sich. Hier ein Besuch Kohls in Moskau 1988. Entscheidend...
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...für das, was dann passierte, war aber das Tauwetter in den Beziehungen zu den USA. Hier ein erster Gipfel mit Präsident Ronald Reagan im November 1985 in Genf. Später traf man sich...
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...auch in Moskau, hier 1988 vor der Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz, oder...
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...im Jahr darauf mit Reagans Nachfolger George Bush an Bord der "Maksim Gorki" vor Malta. Gorbatschow hatte erkannt, dass die Sowjetunion das Wettrüsten mit den USA nicht mehr gewinnen konnte, und suchte in Abrüstungsverhandlungen sein Heil. Gleichzeitig...
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...musste er die Staatschefs in den Satellitenstaaten von seinem Entspannungskurs überzeugen. Hier ein Bild mit Erich Honecker 1986 in Ost-Berlin. Ein gespanntes Verhältnis, aber die Fassade...
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...musste gewahrt bleiben - auch mit dem Bruderkuss. Hier ein Küsschen auf dem Flughafen.
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Spätestens hier traten die Risse aber offen zutage: Gorbatschow mit Honecker auf der Ehrentribüne bei der Parade zum 40. Geburtstag der DDR 1989. Bei diesem Besuch warb Gorbatschow für den Wandel und ermahnte die Parteiführung, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Es folgten...
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...der Einsturz der Mauer, die Entmachtung der SED und der Vorstoß des Bundeskanzlers für eine Wiedervereinigung. Gorbatschow ließ ihn gewähren und unterschrieb mit ihm im September 1990 den Vertrag zur Deutschen Einheit. Der Kult um "Gorbi, Gorbi" hatte da...
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...schon längst begonnen. Hier eine Stuttgarterin beim Empfang des Russen 1989. Oder Gorbatschow bei Hoesch...
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...in Dortmund im Juni 1989. Auf dem Podium mit Christina und Johannes Rau - und im Publikum Stahlarbeiter, die...
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...Plakate gemalt hatten wie zu besten DDR-Zeiten. Es gab aber auch kritische Stimmen. Nur zwei Monate, nachdem er den Friedensnobelpreis erhalten hatte, ließ Gorbatschow...
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...in der abtrünnigen Sowjetrepublik Litauen die Panzer rollen. Menschen starben. Und irgendjemand verglich Gorbatschow mit Saddam Hussein (Berlin 1991). Die große Sowjetunion, sie löste sich langsam auf. Als Gorbatschow...
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...im Dezember 1990 vor den Volksdeputierten im Kreml sprach, da saß der kommende Mann schon hinter ihm - Boris Jelzin. Im August 1991...
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...putschten Gorbatschows Gegner in Moskau, während der Präsident mit Familie in seinem Urlaubsdomizil auf der Krim festgehalten wurde. Es war Jelzin, der die Putschisten besiegte. Als Gorbatschow nach Moskau zurückkehrte (unser Bild), war er praktisch entmachtet. Es folgten...
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...die Auflösung der Sowjetunion, die Verarmung der Massen und der Absturz der Gorbatschows im öffentlichen Ansehen. Erst als Raissa Gorbatschowa, die stets elegant gekleidete Frau des Ex-Präsidenten...
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...im September 1999 an Krebs starb, da hatten die Russen wieder Mitgefühl mit dem Mann, dem sie den Ausverkauf russischer Interessen vorwarfen. Hier Gorbatschow am Sarg seiner Frau, und hier...
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...Wladimir Putin, der damals gerade frisch im Amt des Ministerpräsidenten war. Er ließ in Russland bald einen anderen Wind wehen - für Gorbatschow...
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...war das der Start in eine zweite Karriere als Bürgerrechtler. Seither setzte er sich für Demokratie und Menschenrechte ein. So stellte er etwa 2007 in seiner Gorbatschow-Stiftung das Buch der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja vor; und so sprach...
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...er auch im selben Jahr in Bochum auf der Konferenz "Herausforderung Zukunft". Trotzdem wird er den Deutschen...
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...wohl immer als Öffner des Eisernen Vorhangs in Erinnerung bleiben (hier bei einer Preisverleihung mit George Bush und Helmut Kohl 2005). Und natürlich durch seinen berühmtesten Satz, den...
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...er allerdings nie selbst gesagt hat. Was da auf einem Mauerrest in Berlin steht, sind Worte seines Sprechers Gerassimow. Gorbatschow selbst sagte im Oktober 1989 in Ost-Berlin: "Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren." Woran er sich messen lassen kann.
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"Die Ergebnisse zeugen von einem Fehlen geschichtlichen Wissens und mangelhafter historischer Reflexion", meinte der Historiker Jan Ratschinski in der Zeitung "Kommersant" (Mittwoch). Die Menschen würden keine realen Personen bewerten, sondern Mythen, sagte der Experte vom Menschenrechtszentrum Memorial, das sich mit der Aufarbeitung der Sowjetdiktatur befasst. Lewada befragte für die repräsentative Studie nach eigenen Angaben 1600 Menschen. (dpa)