Berlin. . Menschliche Gene werden immer mehr zum Bestandteil von Untersuchungen und Therapien, inzwischen bieten Unternehmen bereits Gentests für optimale Ernährung und Sportprogramme an. Für den Deutschen Ethikrat werfen die neuen Möglichkeiten Fragen auf: Kann der Bürger mit den Erkenntnissen umgehen?
Für viele werdende Eltern ist es die Frage schlechthin. Ist das Baby gesund? Für viel Wirbel hat in dieser Frage der Bluttest zur Früherkennung des Down-Syndroms (Trisomie 21) bei Embryonen gesorgt, den es seit 2012 gibt. Während die Befürworter ihn als treffsicher loben, warnen Gegner vor einer Art Rasterfahndung, um Embryonen mit dem Gendefekt abzutreiben.
Wie kontrovers dies ist, zeigt auch die Haltung des Deutschen Ethikrates zum so genannten „Praena Test“. In ihrer am Dienstag vorgestellten Stellungnahme zur Gendiagnostik sind die Sachverständigen zu keinem einheitlichen Urteil gekommen. Die Mehrheit will den Test nur dann erlauben, wenn bei den Eltern ein erhöhtes Risiko auf eine genetisch bedingte Erbkrankheit vorliegt. Einige Ethikratsmitglieder fordern stärkere Beschränkungen, während andere den Kompromiss zu streng finden.
2000 Frauen nutzten „Praena Test“
Den umstrittenen Test haben nach Angaben des Herstellers bisher 2000 Frauen genutzt. Seit Februar soll er neben dem Down-Syndrom auch die Trisomien 13 und 18 erkennen können. Vor dem „Praena Test“ konnte man eine Trisomie 21 nur per Fruchtwasseruntersuchung erkennen. Das ist aber nicht ohne Risiko und kann bis zur Fehlgeburt führen.
Die Sachverständigen des Rates sollten im Auftrag der Regierung prüfen, ob die Gesetze zur Gendiagnostik noch zeitgemäß sind. Denn noch nie war es so leicht und billig, das Erbgut des Menschen zu entschlüsseln. So wächst das Angebot von Privatfirmen, die Gentests anbieten. Heute gibt es sogar Tests, mit denen eine Person angeblich erfährt, was sie am besten isst, wie sie Koffein verträgt oder welche Sportart zu ihr passt.
Recht auf Nichtwissen
Der Ethikrat empfiehlt eine bessere Aufklärung über Risiken und Nutzen der Gendiagnostik. Dazu solle eine Internetplattform eingerichtet werden. Weiter plädiert er für die Pflicht zu einem Gespräch zwischen Arzt und Patient vor einem Gentest. Nebenbefunde sollten nicht in die Patientenakte aufgenommen werden. Kindern will das Gremium ein Recht auf Nichtwissen einräumen. Sie sollen also nicht haarklein über ihr Erbgut, künftige Krankheiten und mögliche Risiken Bescheid wissen. So rät die Mehrheit des Rates, bei Minderjährigen nur eingeschränkt Gentests zu erlauben.
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„Die Empfehlungen des Ehtikrates sind zu schwammig und unkonkret“, sagte der Behindertenbeauftragte der Regierung, Hubert Hüppe, dieser Zeitung. Das Gremium habe seinen eigentlichen Auftrag, die Probleme bei der Gendiagnostik klar zu benennen und einzugrenzen, nicht erfüllt. Als Beispiel nannte Hüppe vorgeburtliche Tests (Pränataldiagnostik), die der Ethikrat nur bei Risikoschwangerschaften empfehle. „Er sagt aber nicht, was er unter einer Risikoschwangerschaft versteht“, so Hüppe. Das helfe der Politik bei der Gesetzgebung nicht weiter.