Berlin. . Die Grünen haben ihr umstrittenes Steuerkonzept mit überwältigender Mehrheit verabschiedet. Sie wollen den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent anheben. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat derweil auf dem Grünen-Parteitag ein rot-grünes Bündnis als Chance für einen umfassenden politischen Richtungswechsel gepriesen.
Es gab mal Parteitage bei den Grünen, wo die Polizei für Sicherheit sorgen musste. Wo Grünen-Patriarch Joschka Fischer einen Farbbeutel um die Ohren bekam. Heute sieht das ganz anders aus. So stellt Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke am Samstagmorgen erst einmal klar, dass der aktuelle Parteitag in Berlin keinesfalls langweilig ist. Sondern, dass die Delegierten auch abseits des Plenums viel diskutieren, beraten, verhandeln.
Wenn dem so sei, dann waren wohl einige recht erfolgreiche Gespräche dabei. Jedenfalls sind die Grünen am Morgen brav auf Kurs geblieben und haben ihr umstrittenes Steuerkonzept mit überwältigender Mehrheit verabschiedet. Dennoch sind viele Grüne vom linken Flügel reichlich vergrätzt, weil Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Freitag noch einmal zum Frontalangriff auf die Abgabenpläne geblasen hat. „Ich glaube nicht, dass man in einer Legislaturperiode mehr als zwei zentraler Steuern erheben kann“, hatte Kretschmann in der Süddeutschen Zeitung gestänkert und vor „unzumutbaren Belastungen“ für die Wirtschaft gewarnt. Es war eine schallende Ohrfeige für das Steuerkonzept und den Spitzenkandidaten Jürgen Trittin, der in den vergangenen Jahren maßgeblich daran mitgearbeitet hatte.
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Viele Delegierte sind danach sauer auf den Oberrealo aus dem Schwabenland. „Die Äußerungen von Winfried Kretschmann sind ein Bärendienst für einen geschlossenen Wahlkampf“, sagt NRW-Landeschef Sven Lehmann gegenüber der WAZ Mediengruppe. „So geht man nicht miteinander um“, beschwert sich eine Bundestagsabgeordnete hinter vorgehaltener Hand.
Gabriel und Roth werben einmütig für neues rot-grünes Bündnis
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat auf dem Grünen-Parteitag in Berlin für das gemeinsame Projekt einer neuen rot-grünen Bundesregierung geworben. "Es geht darum, wieder grundsätzlich in diesem Land etwas zu ändern, eine andere Richtung einzuschlagen", sagte Gabriel am Samstag in einer Gastrede. "Wir müssen die Zukunft wieder zurück in die Politik holen", fügte er in der ersten Gastrede eines SPD-Vorsitzenden auf einem Grünen-Parteitag hinzu. Es gebe eine "große Chance" auf eine Mehrheit für Rot-Grün.
Gabriel nutzte seinen Auftritt zu scharfen Attacken auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Regierung. Während Merkel von allen anderen in Europa einen Sparkurs verlange, so "dass aus ihrem Heilfasten inzwischen Magersucht geworden ist", habe Schwarz-Gelb in Deutschland die Neuverschuldung in den vergangenen vier Jahren um rund 100 Milliarden Euro erhöht. Auf internationalen Konferenzen werbe die Kanzlerin für Klimaschutz, helfe aber zugleich mit, "dass Emissionshandel und Energiewende in Europa zerstört werden". Etikettenschwindel sei unter Merkel zum Grundprinzip der Politik geworden.
Grüne: Spitzensteuersatz soll von 42 auf 49 Prozent steigen
Mit ihren nun beschlossenen Plänen wollen die Grünen Wohlhabende stärker als bisher zur Kasse bitten. Neben einer höheren Erbschaftssteuer soll der Spitzensteuersatz für Einkommen ab 80000 Euro von 42 auf 49 Prozent steigen. Dies sei nötig, um Kitas, Schulen und Kommunen besser zu finanzieren, sagt Lehmann. Im Gegenzug sollen Einkommen bis 60000 Euro entlastet und der Steuerfreibetrag auf 8700 Euro angehoben werden. Eine zeitlich befristete Vermögensabgabe soll 100 Milliarden Euro in die Staatskasse zum Schuldenabbau spülen. Davon betroffen ist ein Prozent der Bürger mit einem Nettovermögen von mindestens einer Million Euro. Für Betriebe soll die Abgabe auf 35 Prozent des Gewinns begrenzt werden, um eine Substanzbelastung zu vermeiden.
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Nach der Vermögensabgabe strebt die Ökopartei die Einführung einer Vermögenssteuer an. Außerdem will sie Kapitaleinkünfte grundsätzlich wieder genauso hoch besteuern wie Arbeitseinkommen. Die derzeitige Abgeltungsteuer soll daher entfallen.
„Ökologisch schädliche Subventionen“ abschmelzen
Die Grünen wollen Ausnahmen bei der ermäßigten Mehrwertsteuer und „ökologisch schädliche Subventionen“ abschmelzen. Dazu zählen sie die Dienstwagenbesteuerung oder Ausnahmen bei der Ökosteuer, was 7,5 Milliarden Euro in die Kassen spülen soll. Vorgesehen ist auch der schrittweise Ersatz des Ehegattensplittings durch eine Individualbesteuerung. Für bestehende Ehen soll der Splittingvorteil zunächst gedeckelt werden.
Einigen wenigen Delegierten gehen die Pläne immer noch nicht weit genug. So will der Hagener Kreisverband den Spitzensteuersatz bei Einkommen ab 80000 Euro gleich auf 53 Prozent hochschrauben. „Damit wir einen soliden Haushalt“ bekommen, sagt Antragssteller Frank Steinwerder. „50 Prozent ist eine symbolische Schwelle“, kontert Sven Giegold vom Kreisverband Düsseldorf. Doch dieser Antrag scheitert ebenso wie die Forderungen nach noch strengeren Regeln beim Ehegattensplitting oder einer schnelleren Einführung der Vermögenssteuer. (Mit Material von afp)