Ankara. . Seit 90 Jahren war es Frauen in der Großen Nationalversammlung in Ankara verboten, Hosen zu tragen. Das hat sich nun geändert. Die behinderte Politikerin Safak Pavey hatte den Anstoß gegeben. Nun fragen sich nicht nur ihre Parteikollegen: Kippt als nächstes das Kopftuchverbot?

Seit Jahren wurde über die Reform diskutiert, jetzt ist sie umgesetzt: Erstmals seit Gründung der türkischen Republik vor 90 Jahren dürfen Frauen in der Großen Nationalversammlung in Ankara Hosen tragen. Bisher schrieb Paragraf 56 der Geschäftsordnung des Parlaments vor, dass weibliche Abgeordnete nur in Röcken den Plenarsaal betreten dürfen. Am Mittwoch hob die Nationalversammlung den Zwang mit großer Mehrheit auf.

Viele türkische Politikerinnen empfanden das Verbot von Hosen schon lange als überholt. Besondere Aktualität bekam die Debatte aber, als vor zwei Jahren Safak Pavey für die oppositionelle Republikanische Volkspartei ins Parlament einzog. Die 37-jährige frühere Diplomatin, die unter anderem an der renommierten London School of Economics studierte, verlor 1996 bei einem Eisenbahnunfall in Zürich einen Arm und ein Bein.

Nach mehrjähriger Arbeit beim Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen in Genf kehrte Pavey in die Türkei zurück und bewarb sich 2011 erfolgreich um einen Parlamentssitz. Der Anblick ih­rer Beinprothese löste eine politische Diskussion aus, die jetzt zur Änderung der parlamentarischen Geschäftsordnung und zur „Legalisierung“ von Hosenanzügen führte.

Wird Krawattenzwang auch gekippt?

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Safak Pavey geht es um mehr. Sie wirbt für einen offeneren Umgang der türkischen Gesellschaft mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Gerade in den Reihen ihrer Partei gibt es jedoch eine andere Sorge: Was kommt als nächstes? Wird der seit den Tagen des Republikgründers Atatürk im Parlament geltende Krawattenzwang für Männer angetastet? Viele strenggläubige Muslime lehnen den Schlips als westliches Kleidungsstück ab. Wird mit der Zulassung der Hosen für Frauen womöglich auch eine Hintertür für die Einführung des islamischen Kopftuches geöffnet?

Das Kopftuch ist ein Lieblingsthema des Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan, dessen Gattin und Töchter öffentlich nur verschleiert auftreten. An vielen Universitäten wird das früher verbotene Kopftuch nun geduldet. Auch Erdogan brachte seine Gattin Emine zu einem Festakt ins Parlament – mit Kopftuch. Während er die Legalisierung der Kopfbedeckung als Ausdruck der Religionsfreiheit betrachtet, sehen viele weltlich orientierte Türken darin einen weiteren Schritt zur Islamisierung von Gesellschaft und Staat.