Berlin. Nach monatelangen Verhandlungen kommt der Tag der Entscheidung: Am Dienstag soll es eine Einigung für eine bundesweite Suche nach einem Endlager geben, in dem der hochradioaktive Atommüll für immer deponiert werden kann. Die Einigungschancen standen selten so gut.
Nach fast 35 Jahren Streit um den Salzstock Gorleben ist ein Durchbruch für ein Gesetz zur bundesweiten Suche nach einem Atommüll-Endlager greifbar nah. Vertreter von Bund und Ländern zeigten sich am Montag optimistisch, dass am Dienstag bei einer Spitzenrunde in Berlin nach monatelangen Verhandlungen eine Einigung erzielt werden kann. Gelingt dies, soll das Suchgesetz bis spätestens 5. Juli von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.
Bis Ende 2015 könnte dann eine Enquete-Kommission die Grundlagen erarbeiten, wo und wie gesucht werden soll. Bundesweit könnten am Ende zwei Standorte auch unter Tage miteinander verglichen werden, bevor Bundestag und Bundesrat über den Endlagerstandort abstimmen.
"Ich glaube, dass wir einer Einigung sehr nah sind. Jetzt müssen wir noch bei ein paar Verfahrensfragen zueinander kommen", sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. "Wenn wir jetzt nicht zu einer Lösung kommen, wird der Atommüll eines Tages ins Ausland gebracht."
Gesetz soll bis zum 5. Juli verabschiedet werden
Im Bundesumweltministerium hieß es, das Ziel sei eine Einigung am Dienstag bei dem Treffen mit den Ländern in der niedersächsischen Landesvertretung. Anschließend könnte ein vorliegender Gesetzentwurf über die Fraktionen von Union, FDP, SPD und Grünen in den Bundestag eingebracht werden - bis zur letzten Bundesratssitzung am 5. Juli soll das Gesetz unter Dach und Fach sein. Andernfalls droht durch die Bundestagswahl eine weitere jahrelange Verzögerung.
"Es geht hier um die möglichst sichere Endlagerung von Atommüll, und die Chancen für einen Grundkonsens stehen gut", betonte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Er hatte im November 2011 mit dem damaligen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) wegen des Streits um die Eignung Gorlebens den Neustart mit angestoßen. Der seit 1977 im Fokus stehende Standort Gorleben soll eine Option bleiben, aber wie jede andere behandelt werden.
Vorerst kein weiterer Atommüll nach Gorleben
Die Kosten für das Suchverfahren sollen laut Entwurf die "Abfallablieferungspflichtigen" tragen, also die Energiekonzerne. Da sie aber bereits rund 1,6 Milliarden Euro in die Erkundung Gorlebens investiert haben, ist fraglich, ob sie diese Mehrbelastungen ohne weiteres akzeptieren werden. Um keine weiteren Fakten zu schaffen, sollen noch anstehende Atommülltransporte nicht mehr in das nah beim Salzstock gelegene oberirdische Zwischenlager Gorleben gehen. Es ist denkbar, dass sie stattdessen in Zwischenlager in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg gebracht werden.
"aufpASSEn"
Bei der neuen Atommüll-Endlagersuche könnten bis zu fünf Standorte in die engere Wahl kommen. Bei der Zahl spielen aber auch die Empfehlungen der Kommission eine Rolle, der 24 Personen angehören sollen - Politiker wie Vertreter der Zivilgesellschaft. In dem Gesetzentwurf für das Treffen am Dienstag wird betont: "Das Gesetz sieht keine konkrete Anzahl von zu erkundenden Standorten vor".
Im Rahmen der gesetzlich notwendigen Kostenabschätzung wird in dem Entwurf - wie bisher auch - mit der Prüfung von bis zu fünf Standorten kalkuliert, letztlich könnten es aber auch mehr oder weniger sein. Noch ist ungeklärt, ob bei der Suche Salz- Ton- und Granitgesteinsformationen infrage kommen sollen. Die Kosten werden auf etwas über zwei Milliarden Euro geschätzt. Bis zum Jahr 2031 soll das Lager für hochradioaktiven Müll gefunden sein. Umweltschützer kritisieren, dass Gorleben nicht generell ausgeschlossen werde. (dpa)