Lissabon. Portugals Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva hat sich trotz der Zuspitzung der Finanzkrise in seinem Land gegen eine Ablösung der Mittel-Rechts-Regierung und gegen Neuwahlen ausgesprochen. “Die Voraussetzungen sind gegeben, dass die Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleibt“, sagte der Staatschef in der Nacht zum Sonntag nach einem Krisentreffen.
Das Verfassungsgericht von Portugal hat das hoch verschuldete EU-Land tiefer in die Krise gestürzt. Nachdem die Richter am späten Freitagabend Teile des Sparhaushaltes 2013 für nichtig erklärten, brachte am Samstag eine stundenlange Krisensitzung der Regierung zunächst keinen Ausweg. Die Gerichtsentscheidung werde "negative Auswirkungen auf das Land" haben, warnte Regierungssprecher Luis Marques Guedes.
Das Budget des laufenden Jahres sieht massive Steuererhöhungen sowie Kürzungen bei Renten, Gehältern und Sozialleistungen vor. Die Verfassungsrichter urteilten nun aber, dass beispielsweise die Abschaffung des 14. Monatsgehaltes für Staatsdiener und Rentner sowie Abgaben auf Arbeitslosenhilfe und Krankengeld nicht verfasssungsgemäß sind. Das Urteil sei rückwirkend gültig, stellte der Vorsitzende Richter Joaquim Sousa Ribeiro klar. Nach Schätzungen der portugiesischen Presse fehlen der Regierung im Haushalt dadurch 1,25 Milliarden Euro.
Regierung warnt vor negativen Auswirkungen auf das Land
Die Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho muss nun nach neuen Wegen suchen, um die im Gegenzug für Milliardenhilfen der anderen Eurostaaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarten Sparvorgaben umzusetzen. Eine erste Krisensitzung am Samstagnachmittag brachte keine Lösung. Die Regierung erklärte anschließend lediglich, dass das Urteil eine weitere Belastung für das krisengebeutelte Land bedeute. "Die Regierung respektiert die Gerichtsentscheidung, aber warnt die Portugiesen vor den negativen Auswirkungen auf das Land", sagte Regierungssprecher Guedes.
Das Urteil des Verfassungsgerichts bringe "das Land in Schwierigkeiten bei der Umsetzung seiner Haushaltsziele", sagte Guedes weiter. Zu möglichen neuen Sparplänen des Kabinetts machte er keine Angaben. Der Regierungssprecher warnte jedoch davor, dass das Ansehen Portugals bei internationalen Investoren Schaden nehmen könnte. Die Regierung in Lissabon hofft offenbar darauf, dass ihre Geldgeber die Frist zur Rückzahlung von Krediten weiter verlängern.
Zusage für Kredite von 78 Milliarden Euro von Eurostatten und IWF
Angesichts der neuen Schwierigkeiten sprach Passos Coelho am Samstagabend auch mit Präsident Anibal Cavaco Silva. Dieser erneuerte seinen Rückhalt für die Regierung und erklärte: "Die Regierung verfügt über die nötigen Voraussetzungen, um ihr Mandat zu erfüllen." Damit reagierte der Präsident offenbar auch auf am Samstag in den Medien laut gewordene Spekulationen, dass Passos Coelho zurücktreten könnte. Dieser will am Sonntagnachmittag eine Rede an die Nation halten.
Das überschuldete Portugal hatte von Eurostaaten und IWF die Zusage für Kredite von 78 Milliarden Euro erhalten, um nicht in die Pleite zu rutschen. Im Gegenzug verpflichtete sich die damalige Regierung unter Führung der Sozialistischen Partei (PS) zu einem strikten Sparkurs und Privatisierungsmaßnahmen. Diesen Sparkurs will der konservative Regierungschef Passos Coelho fortsetzen. Durch den von seiner Regierung beschlossenen Haushaltsplan 2013 sollten Mehreinnahmen von 5,3 Milliarden Euro erzielt werden, die zu 80 Prozent durch Steuererhöhungen erfolgen sollten.
Gegen den Sparhaushalt hatten Präsident Cavaco Silva und die linke Opposition Verfassungsbeschwerde eingelegt. Massiver Druck gegen den Sparkurs der Regierung kommt auch von der Straße: Angesichts von Massenarbeitslosigkeit und Rezession hatten Anfang März hunderttausende Menschen gegen die verordnete Sparpolitik protestiert. (afp/dpa)