Den Haag. . Europaweit zeichnet sich ein deutlicher Trend ab: Die Tafeln und Armenküchen erfahren einen immer größeren Zulauf. Schuld daran ist die Finanzkrise, die zunehmend auch die Existenzen der Mittelschichten angreift.

„Noch nie seit Ende des Zweiten Weltkrieges mussten so viele Europäer zu den Garküchen oder den kostenlosen LebensmittelVerteilstellen gemeinnütziger Organisationen wie heute.“ Das sagte Yves Daccord vom Europäischen Roten Kreuz (Brüssel) der niederländischen Zeitung „De Standaard“.

Nach Angaben von Daccord sind allein in Spanien inzwischen drei Millionen Menschen von der täglichen Hilfe der Lebensmittel-Rationen gemeinnütziger Organisationen abhängig. „Aber auch in den reichen EU-Ländern wie Belgien, Niederlande, Finnland, Deutschland und Luxemburg sind immer mehr Menschen auf ihre tägliche kostenlose Lebensmittel-Ration angewiesen.“ In Deutschland habe die 1993 gegründete Hilfsorganisation „Die Tafeln“ derzeit den größten Zulauf seit ihrer Gründung.

„Vor allem Rentner brauchen unsere Hilfe“, berichtet Daccord weiter. „In Belgien empfangen derzeit täglich 121 000 Menschen kostenlose Lebensmittel von rund 600 Vereinigungen der ‘Voedselbanken’, die gratis Tomaten, Kartoffeln, Reis, Fleisch und andere Lebensmittel verteilen. Das sind doppelt so viele wie 2008 vor Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise“, stellt Alfons De Vadder von der Brüsseler „Voedselbank“ fest. „Es kommen auch immer mehr kleine Selbstständige, die pleite gegangen sind, zu uns, um sich die tägliche Essensration abzuholen. Die Krise macht immer mehr zu Opfern. Sie dauert zu lange. Bei vielen Menschen sind die Ersparnisse inzwischen aufgebraucht. Sie haben einfach kein Geld mehr.“

Im Jahresvergleich sei die Zahl der Bedürftigen in Belgien im Februar um 4500 Menschen seit 2012 gestiegen. „Es ist hier in Belgien noch nicht so schlimm wie in Spanien, Griechenland oder Portugal. Aber die Lage ist Besorgnis erregend. Denn die Armut trifft immer mehr Menschen aus der Mittelschicht.“

Das Italienische Rote Kreuz meldet nach Angaben von Yves Daccord, dass dort auch viele geschiedene alleinstehende Männer in finanzielle Schwierigkeiten geraten, weil sie etwa den Unterhalt für ihre Kinder nach einer Scheidung nicht mehr bezahlen können. Vielen von ihnen drohe das Abrutschen in die Obdachlosigkeit. Das Europäische Rote Kreuz fordert daher von der EU-Kommission und den EU-Regierungen, das Budget des Roten Kreuzes in der EU deutlich zu erhöhen.