Peking/Seoul. . Der Ton im Konflikt zwischen Nord- und Südkorea wird immer schärfer. Kam die Kriegsrhetorik bisher vor allem aus dem Norden, droht nun auch die südkoreanische Präsidentin Park mit massiver Vergeltung. Seouls Bürger zeigen sich dennoch gelassen.
Ein Land im Kriegszustand sieht anders aus. Erst am Wochenende erklärte Nordkoreas Regime dem verfeindeten Süden den Krieg und kündigte zum wiederholten Male Militärschläge an. Unter anderem drohte Pjöngjang damit, den gemeinsam betriebenen Industriepark Kaesong im nordkoreanischen Grenzgebiet zu schließen, auf dem 123 südkoreanische Unternehmen mehr als 50.000 Nordkoreaner beschäftigen.
Doch am Montag war alles wie gehabt: Hunderte zumeist südkoreanische Manager passierten wie gehabt die Grenze und nahmen ihre Arbeit auf. Im Kaesong-Komplex habe es keine Probleme gegeben, bestätigte am Abend ein Sprecher des südkoreanischen Vereinigungsministeriums.
Südkorea schießt verbal zurück
Dabei ist die Kriegsrhetorik in diesen Tagen so scharf wie noch nie. Nachdem das nordkoreanische Regime seit Wochen gegen Südkorea und die USA hetzt, Raketen auf den Süden richtet, sein Militär in Einsatzbereitschaft versetzt und am Wochenende eben auch den Kriegszustand erklärte, schießt nun auch Südkorea verbal zurück. Staatspräsidentin Park Geun Hye wies ihre Armee am Montag an, auf jeden Angriff des Nordens „mit aller Härte“ zu reagieren und „politische Abwägungen außer Acht zu lassen“.
Tatsächlich zeigen sich Südkorea und die Vereinigten Staaten nun alarmiert. Die USA haben am Samstag mehrere Tarnkappen-Kampfflugzeuge vom Typ F-22 von Japan auf den südkoreanischen Luftwaffenstützpunkt Osan verlegt. Offensichtlich steigt die Nervosität unter den Alliierten doch. Südkoreanische Medien berichten unter Berufung auf Militärkreise, an den Raketenstützpunkten in Nordkorea seien seit einigen Tagen auffällige Bewegungen zu beobachten.
"Keine wirklich neue Drohung"
Sowohl die USA als auch Südkoreas Führung hatten bis Ende der vergangenen Woche noch gelassen auf die Hasstiraden aus Pjöngjang reagiert. Sie stellten „keine wirklich neue Drohung“ dar, hieß es vergangenen Donnerstag noch in einer offiziellen Stellungnahme in Seoul.
Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, sagte, die „kriegstreiberische Rhetorik Pjöngjangs“ vertiefe allenfalls Nordkoreas internationale Isolation. Technisch sei Nordkorea gar nicht imstande, die USA anzugreifen. „Wir sind in der Lage und bereit, unsere Interessen in der Region zu verteidigen“, heißt es aus Washington.
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Nordkorea habe bislang noch nicht erfolgreich interkontinentale Raketen getestet, bestätigt auch Narushige Michichita, Militär-Experte vom japanischen National Graduate Institute for Policy Studies. Militärziele in Japan und Südkorea, allen voran die Hauptstadt Seoul könnten nordkoreanische Mittelstreckenraketen aber erreichen.
Michichita hält es daher für möglich, dass das Kim-Regime wie schon 2010 „einen kleinen Angriff an der koreanischen Westküste“ wagt. Damals kamen bei einem Angriff 50 südkoreanische Soldaten ums Leben. Dieser Angriff würde provozieren, aber dann doch nicht so groß ausfallen, dass die USA mit aller Macht militärisch angreift.
Nordkoreas Fluglinie expandiert
Auf den Straßen in Seoul ist von Nervosität denn auch nur wenig zu spüren. „Das Ausland denkt, wir sind nervös und bereiten uns auf Krieg vor“, wird ein Passant auf CNN zitiert. „Wir sind aber nicht nervös, weil wir diese Drohungen aus dem Norden gewohnt sind.“
So recht scheinen aber auch die Nordkoreaner nicht an den Ausbruch eines Krieges zu glauben. Nicht nur dass der Betrieb auf dem Industriegelände Kaesong weiterläuft. Trotz der aufgeladenen Stimmung hat auch die nationale Fluggesellschaft Air Koryo vor kurzem erst die Zahl ihrer Flüge ins Ausland deutlich aufgestockt. Sie rechnet offensichtlich mit mehr Touristenreisen nach Pjöngjang.
Kriegsrhetorik hin oder her – das Leben auf beiden Seiten der innerkoreanischen Grenze scheint normal weiter zu laufen.