Berlin. TV-Zuschauer fragen, der SPD-Kandidat weicht aus. Frank-Walter Steinmeier tat sich beim RTL-"Townhall Meeting" politisch schwer. Schlagfertig und witzig antwortete er allerdings auf persönliche Fragen. Sein Haar, so scherzte er, färbe er jeden Tag nach, "weil das Schwarze durchkommt".
Als es persönlich wird, ist Frank-Walter Steinmeier echt witzig und schlagfertig. Ein TV-Zuschauer wollte vom SPD-Kanzlerkandidaten wissen, was er persönlich für eine andere "Alterspyramide" tun wolle - die Steinmeiers haben schließlich nur ein Kind, eine Tochter. Der Kandidat bedankte sich süffisant für die Aufforderung: "Sie verstehen, dass wir das (zuhause) besprechen müssen." Und als ein anderer Zuschauer ihm bescheinigte, er sei - anders als Gerhard Schröder - in Ehren ergraut, erzählte der SPD-Mann, "ich färbe jeden Tag, weil das Schwarze durchkommt." So schlug er sich halbwegs gut aus der Affäre, als er bei RTL mit den Fragen der TV-Zuschauer konfrontiert wurde.
Zuschauer: "Machen Sie den Schröder nach"
Weniger überzeugend war der Kandidat, als es politisch wurde. Ein älterer Mann rief ihm zu: "Sie sind nicht scharf genug. Machen Sie den Schröder nach!" Eigentlich war es die beste Zusammenfassung der TV-Sendung.
Zur Ehrenrettung Steinmeiers muss man allerdings sagen, dass er sich über sein Charisma keine Illusionen macht. Seine Persönlichkeit habe sich im Laufe des Lebens entwickelt, und jetzt tue er gut, "sie nicht im Wahlkampf zu verändern und authentisch zu bleiben", sagte Steinmeier. Da spendete das Studiopublikum sensibel Applaus.
Die Frage, warum er besser als Kanzlerin Merkel sei, blieb unbeantwortet. Die Fragen, warum die Regierung zwar Opel geholfen habe, aber weniger kleinen und mittelständischen Unternehmen, brachten ihn ins Schwitzen; und es konnte nicht allein an der Temperatur im Berliner RTL-Studio liegen.
Unkonkrete und umständliche Antworten
Die Zuschauer stellten Fragen - und zwar meist gut und pointiert -, Steinmeier tat sich mit den Antworten schwer. Einem "Hertie"-Mitarbeiter, der jetzt arbeitslos wird, wünschte er "sehr viel Kraft" und gab ihm für die Jobsuche und zur Bewältigung der finanziellen Engpässe den Rat: "Warten Sie nicht ab". Danke, Kandidat!
Eine junge Frau wollte wissen, wie er 500.000 neue Jobs in der Kreativwirtschaft schaffen will. Auch die Antwort darauf fiel schrecklich umständlich und letztlich unkonkret aus. Einem Industrieschlosser, der nach dem Auslauf der Abwrackprämie Angst um Folgeaufträge und um seinen Job hat, schenkte Steinmeier dann doch reinen Wein ein: "Man kann nicht ewig mit Milliardenbeträgen eine Branche stützen." Das war nicht die erhoffte Antwort. Aber es war eben eine - Antwort.
Zu oft waren die RTL-Moderatoren Maria Gresz (von "Spiegel TV") allerdings zu sehr auf den reibungslosen Ablauf der Sendung konzentriert. Sie haben offenkundig nicht immer zugehört. Sonst hätten sie sich stärker für ihre Zuschauer ins Zeug gelegt, wenn Steinmeier mal wieder drum herum redete.
Forum
Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier
Diskutieren Sie mit anderen DerWesten-Lesern
Über 100 Zuschauer hatte RTL eingeladen, nicht nur aus Berlin. Der Sender folgt dem US-Vorbild der Townhall Meetings, auf Deutsch: Der Bürgerversammlungen. Da hat jede eine Frage an den Kandidaten frei. Nach Merkel im Mai und gestern Steinmeier werden sich im September - kurz vor der Wahl - noch die Oppositionspolitiker Künast, Gysi und Westerwelle den Fragen der Zuschauer stellen.
Nachdem Merkel den Anfang gemacht hatte, nahm RTL ein Korrekturen am Format vor. Der Kandidat saß nicht, sondern wurde am Stehpult befragt. Und der Anteil der offenen spontanen Fragen der Zuschauer wurde erhöht. Das wiederum tat der Sendung gut. Steinmeier weniger.