Rom. . Seit der Wahl am Mittwoch wächst die Sympathie für den neuen Papst „vom anderen Ende der Welt“. Am Sonntag sprach er vor rund 150.000 Menschen auf dem überfüllten Petersplatz sein erstes Angelusgebet. Und vor den Journalisten aus aller Welt bewies er, dass Förmlichkeiten ihn nicht interessieren. Gläubige, Pilger und Touristen in Rom feiern den Argentinier mit Rufen wie „Franziskus, Du bist der Frühling“.

Wenn Papst Franziskus etwas nicht mag, dann sind es wohl­gesetzte, vorformulierte Rede-Entwürfe. Schon bei seiner ersten Messe mit den Kardinälen predigte er lieber aus dem Stegreif. Und als er bei der ersten richtigen Audienz am Samstag den geladenen Vatikanjournalisten vorlesen soll, wischt Franziskus das Manuskript zur Seite und sagt verschmitzt: „Da habt ihr aber gearbeitet, was! Da habt ihr geschuftet!“

Und dann plaudert er offenherzig aus dem Konklave, das ihn zum Papst machte. Wie er, der Argen­tinier Jorge Mario Bergoglio, zum Namen Franziskus kam.

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Als es „bei der Stimmenauszählung für mich gefährlich zu werden begann“, erklärt der Papst, habe ihn sein Sitznachbar, der frühere Erzbischof von Sao Paulo und Franziskaner Claudio Hummes, „getröstet“. Als dann die Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht und der Applaus aufgebrandet war, flüsterte Hummes ihm zu: „Vergiss die Armen nicht!“

Da, führt der Papst aus, „ist mir der Name des Franziskus von Assisi ins Herz gedrungen, der Mann der Armut. Und während die Auszählung weiterging, habe ich an die Kriege gedacht, und dass Franziskus ein Mann des Friedens ist, der uns den Geist des Friedens gibt, der Mann, der die Schöpfung liebt und bewahrt. Und wir haben im Moment kein so gutes Verhältnis zur Schöpfung, nicht wahr?“ Und dann setzt der Papst hinzu: „Ach, wie sehr möchte ich eine arme Kirche und eine Kirche für die Armen!“

150.000 beim Angelus-Gebet

Der Jubel ist ihm gewiss, als am Sonntag um 12 Uhr an die 150 000 Menschen auf den Petersplatz in Rom strömen, zum ersten Angelus-Gebet des neuen Papstes. Wieder spricht Franziskus fast vollständig frei. Er predigt – nicht in theo­logisch bis aufs Komma ausge­tüftelten, sondern in menschlich zu Herzen gehenden Sätzen – über die göttliche Barmherzigkeit.

Und er verlangt, sie weiterzugeben: „Barmherzigkeit verändert die Welt, macht sie gerechter und ­weniger kalt.“ Einen Merksatz hat Franziskus auch parat, er wiederholt ihn dreimal: „Vergesst es nicht: Gott wird nie müde zu verzeihen. Wir sind es, die müde werden, ihn um Verzeihung zu bitten.“

Zum Abschluss des Sonntags­gebets wünscht er den versammelten Gläubigen ein „gutes Mittag­essen!“. Die Menschen sind hörbar begeistert von der fast lockeren Ungezwungenheit des heiligen Vaters.

Nach der Frühmesse auf die Straße, zu den Menschen

Die roten Papstschuhe, mit denen Benedikt XVI. für Aufsehen gesorgt hat, trägt Franziskus immer noch nicht. Gepredigt hat er vor den Kardinälen im Stehen, ohne die Bischofsmitra und ohne das Pallium, die ringförmige Stola, die ihn als Erzbischof auszeichnen würde. Am Sonntagmorgen, nach der Frühmesse, begrüßt er auf einer Straße Passanten, schüttelt Hände, wechselt ein paar Worte.

Seinen bisher bedeutendsten Verstoß gegen das kirchliche ­Protokoll aber erlaubt er sich – in spontanem Entschluss – bei der ­Begegnung mit den Journalisten. Da verzichtet er darauf, unter Orgelgebraus und lateinischem Gesang das große Kreuzzeichen seines Apostolischen Segens über die Versammlung zu schlagen.

„Ich weiß, dass viele von euch nicht der katholischen Kirche angehören oder gar keine Gläubigen sind“, sagt Franziskus: „Ich respektiere das Gewissen jedes einzelnen, und so segne ich euch von Herzen, aber in Stille.“ Dann geht er.