Rom.. Schon bei seinem ersten Auftritt legt Franziskus demonstrativ Wert auf bescheidenes Auftreten. Als er in einer römischen Basilika am frühen Morgen beten wollte, wurde das Volk aus Sicherheitsgründen ausgesperrt. Franzikus aber rief: „Macht doch die Türen auf!“ Schon an seinem ersten Tag als Papst wird ein neuer Stil sichtbar: Bescheidenheit als Programm.
Keine Autokarawane. Kein Sicherheitstross. Kein Wagen mit dem vatikanischen Repräsentationskennzeichen „SCV 1“. Als Franziskus am Donnerstagmorgen „zur Muttergottes beten“ fährt, wie er das am Abend zuvor auf der Loggia des Petersdoms angekündigt hat, da rollt er in einem simplen, nachtblauen Dienstwagen der Vatikan-Gendarmerie durch Rom.
Ähnlich war es gleich nach seiner Wahl zum Papst: Da wollten sie ihn mit einer sterngeschmückten Nobelkarosse von der Sixtinischen Kapelle zum vatikanischen Hotel chauffieren. Doch der Neue stieg in den „Mannschaftsbus“: „Mit den Kardinälen bin ich gekommen, mit denen fahre ich auch wieder.“
Jorge Mario Bergoglio, der 76-jährige Argentinier, ist noch keine 24 Stunden Papst, da richten sich schon aller Augen auf den neuen Stil, den er einführt. Seine Sachen in jenem kirchlichen Gästehaus, in dem er vor dem Konklave wohnte, hat der neue Papst eigenhändig gepackt, und Federico Lombardi, der Pressesprecher des Vatikans, hebt hervor, dass er – als Papst! – sogar sein Zimmer bezahlt habe. Franziskus wollte, sagt Lombardi, „den anderen Kardinälen und Bischöfen ein Beispiel geben“. Bescheidenheit als Programm.
„Macht die Türen doch auf!“
Die erste frei gewählte Amtshandlung des Papstes bestand darin, den Vatikan zu verlassen: In Santa Maria Maggiore, einer der großen, der uralten päpstlichen Basiliken in Rom, wollte er vor jener Marienikone beten, die so etwas wie das Heiligtum der Stadt Rom darstellt.
„Privat“ sollte der Besuch in früher Morgenstunde sein, aber Bergoglio musste feststellen, dass er als Papst auch privat nie mehr allein ist: die vatikanischen Fernsehkameras waren schon vor ihm da. Und Georg Gänswein, der Sekretär seines Vorgängers Benedikt. Ein paar Kardinäle. Und da war die versammelte Prälaten- und Beichtväterschaft der Basilika. Und die Angestellten.
Bloß die, die Franziskus liebend gern um sich gehabt hätte, waren ausgesperrt: „Aus Sicherheitsgründen“ hatte das normale gläubige Volk die Kirche verlassen müssen. „Macht die Türen doch auf, ich bin hier als Pilger unter Pilgern!“, fordert Franziskus. Vergeblich. Sicherheit geht vor.
Lob von allen Seiten
Seit er Papst ist, hagelt es Lob von allen Seiten auf Bergoglio. Aus Deutschland etwa. „Sehr zufrieden und sehr glücklich“ ist Kardinal Karl Lehmann mit der Wahl dieses „unglaublich bescheidenen und demütigen Menschen“. Wen der Kölner Kardinal Joachim Meisner gerne als geeigneten Nachfolger für seinen persönlichen Freund Benedikt XVI. gesehen hätte wird zwar wohl immer ein Geheimnis bleiben, „aber es ist ein gutes Zeichen, dass der neue Papst ganz anders ist, als ich ihn mir vorgestellt habe“.
Und dann wird auch noch bekannt, dass Franziskus am Abend seiner Wahl nicht nur bei seinem Vorgänger Benedikt in Castel Gandolfo angerufen hat, sondern einfach so auch bei einer römischen Familie, die er aus gemeinsamen argentinischen Zeiten gut kennt und mit er er auch zuletzt gern zu Abend gegessen hat.
Hohe Erwartungen
Schon am ersten Tag aber brechen auch die Wogen der Erwartungen über den Neuen herein. Die syrischen Rebellen melden sich, Franziskus müsse etwas zu ihrer Unterstützung tun; aus dem piemontesischen Dorf Portacomara, von dem Bergoglios Vater einst nach Argentinien auswanderte, kommen die ersten Einladungen an den „großen Sohn“. Hans Küng, natürlich, stellt ihm die Gretchenfrage: Wie hältst du es mit den Reformen?“ Und wie die chinesische Führung in Peking, so melden sich auch die Scheichs der Al-Azhar-Moschee in Kairo: Man habe da ein paar Forderungen für den weiteren Dialog.
Die italienischen Bischöfe indes schämen sich. Kaum war der weiße Rauch in der Luft, hatte die Bischofskonferenz per E-Mail an alle Journalisten „dem Mailänder Erzbischof Angelo Scola“ zur Wahl gratuliert. Sie hätten ihn so gerne gehabt. Dann ist Scola aber, wohl im dritten Wahlgang, ausgeschieden. Mit ihm vermutlich auch der Gegenkandidat, den offenbar die römische Kurie aufgebaut hatte: der Erzbischof von Sao Paulo, Odilo Pedro Scherer. Dann gab’s eine Reihe von Sondierungen, und zwei Wahlgänge später war das Patt überwunden – und Bergoglio Papst.