Gütersloh/Berlin. . Während die FDP mit dem übervollen Rententopf das Staatsdefizit abbauen möchte, wollen Experten mehr Geld ins Rentensystem pumpen, um für den demografischen Wandel gewappnet zu sein

Zur Zeit sind die Rentenkassen gefüllt wie lange nicht mehr, und das weckt Begehrlichkeiten. So fordert die FDP, die Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung von knapp 30 Milliarden Euro zum Defizitabbau heran zu ziehen. Für Rentenexperten ist dies zwar verständlich, blendet aber die Zukunft aus. „Der Renteneintritt der Babyboomer setzt die Rentenversicherung schon bald wieder unter erheblichen Druck“, so das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung. Ohne einen Umbau der Rentenversicherung seien höhere Beiträge unvermeidlich und das Rentenniveau in Gefahr.

Die sogenannten Babyboomer: Das sind die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1955 und 1970. In den kommenden Jahren steigen die ersten von ihnen aus dem Erwerbsleben aus. Die Folge: Der Anteil der über 65-Jährigen steigt von derzeit 30 Prozent bis 2030 auf 49 Prozent. 2060 werden gar 63 Prozent der Menschen älter sein als 65.

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Zunächst wird das Rentenniveau nur langsam sinken auf 45,2 Prozent im Jahr 2030, während der Beitragssatz auf 21,3 Prozent steigt, haben die Experten der Bertelsmann-Stiftung errechnet. So maßvoll bleibt die Verschlechterung aber nur, wenn die Geburtenrate von derzeit etwa 1,4 Kindern pro Frau nicht noch weiter absackt, wenn weiterhin etwa 150 000 Menschen zuwandern und wenn die Lebenserwartung weiterhin nur zwei Jahre pro Dekade steigt. Bis 2060 aber würde selbst unter diesen günstigen Voraussetzungen das Rentenniveau auf 41,2 Prozent absacken – bei steigendem Beitragssatz.

„Auch Beamte und Selbstständige sollten einzahlen“

Trotz dieser Prognose will nun die FDP an die Nachhaltigkeitsrücklage, um das Staatsdefizit abzubauen. „Eine Idee, die durchaus Charme hat“, sagt dazu Eric Thode, Projektleiter der Studie, der WAZ-Mediengruppe. Der Beitragszahler hilft so dem Steuerzahler, der eigentlich für den Schuldenabbau herangezogen werden müsste. Voraussetzung sei allerdings, dass in zwanzig Jahren, wenn das Rentenloch unabwendbar ist, nicht nur die Beitragszahler, sondern alle Steuerzahler mithelfen, die Rente zu sichern. Doch was in so weiter Zukunft liege, sei politisch kaum durchzuhalten, vermutet Thode, weshalb er rät, die Rücklagen nicht anzutasten.

Der Experte setzt daher auf einen Umbau des Systems. Den größten Erfolg hätte die Ausweitung der Rentenversicherungspflicht auf Selbstständige und Beamte. Der nun größere Versichertenkreis würde dafür sorgen, dass bis 2020 auf der Beitragssatz auf 18,9 Prozent absinkt, während das Rentenniveau auf 48,5 Prozent steigt.

Rentenkasse braucht mehr erwerbstätige Frauen

Längere Lebensarbeitszeiten, eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen sowie eine bessere Qualifikation der Beschäftigten könnten obendrein helfen, die Rente stabil zu halten. Wichtig sei allerdings, die Maßnahmen zu bündeln, „dann wäre im Jahr 2060 immerhin ein Rentenniveau von 42,5 Prozent bei einem Beitragssatz von 25,5 Prozent zu erwarten“, so Thode.

Wie auch immer: Hauptsache ist für den Bertelsmann-Experten, dass mehr Geld ins System fließt. Gut sei alles, was wirkt „und die Lasten gleichmäßig und fair verteilt“.