Washington. Barack Obama scheint seine einstige Rivalin Hillary Clinton inzwischen völlig an den Rand gedrängt zu haben. Bei wichtigen Auslandsreisen war Amerikas Außenministerin entgegen aller Gepflogenheiten nicht dabei. Und um die aktuellen Krisenherde kümmern sich andere.

„Erinnern Sie sich noch an Hillary Clinton?” – hinterlistiger lässt sich eine scheinbar harmlose Frage kaum verpacken. William Kristol hatte sichtlich Vergnügen daran, der US-Außenministerin in seiner Kolumne unter die Nase zu reiben, wie sehr ihr Boss sie an den Rand gedrückt habe. Eine einseitige Betrachtung war das freilich, gespeist von Polemik und abgrundtiefer Abneigung gegen die einstige First Lady, die Reizfigur aller Konservativen schlechthin.

Aber in der Tat fällt schon auf, dass US-Präsident Barack Obama bei seinen Touren um die Welt auf Clintons Beistand entgegen den sonst üblichen politischen Gepflogenheiten verzichtet. Weder bei seinem Antrittsbesuch im benachbarten Kanada noch im April in der Türkei war Clinton dabei. Sie fehlte bei Obamas Besuch in Mexiko und war nicht mit von der Partie, als der Chef Anfang Juni Ägypten, Deutschland und Frankreich besuchte. Für ihr Fehlen in Russland, in Italien und in Ghana in der letzten Woche wiederum hatte die 61-jährige Ex-Senatorin eine triftige Entschuldigung. Ihr Ellbogenbruch Mitte Juni, Folge eines Sturzes auf dem eiligen Weg ins Weiße Haus, zwang Amerikas Chef-Diplomatin, kürzer zu treten.

"Wie einen Welpen an der Leine"

„Hillary – im Schatten Obamas verschwunden”, wird in den einschlägigen Internet-Blogs derweil gewitzelt. „Wie einen Welpen an der Leine” führe Obama Hillary Clinton ab und an aus, um zu zeigen, dass es sie noch gebe, mokierte sich etwa die Hobby-Bloggerin Martha Gore – und musste dafür wiederum kräftig Prügel der Hillary-Fans einstecken.

Freilich: Leicht hat es Obama seiner einstigen erbitterten Rivalin im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur in der Tat nicht gemacht, ihr eigenes Revier abzustecken. Um die aktuell brennenden Krisenherde aus Sicht des Weißen Hauses kümmern sich andere. Richard Holbrooke ist Obamas Mann an der Terrorabwehrfront, zuständig für Afghanistan und Pakistan. George Mitchell, der Mann für das Unmögliche, soll im Auftrag des Weißen Hauses den Nahost-Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern in Gang bringen. Andere Sonderbeauftragte kümmern sich um Nord-Korea, den Sudan, den Klimawandel. Für Clinton blieb da in den ersten sechs Monaten ihrer Amtszeit tatsächlich nicht viel Platz, um sich draußen in der Welt zu profilieren.

Dass sie nicht im Licht steht wie Amtsvorgängerin Condolezza Rice, – ohne deren Beistand sich der in außenpolitischen Fragen eher unbeleckter George W. Bush nicht aufs außenpolitische Parkett traute –, sondern vorerst die Rolle im Hintergrund annimmt, wird Clinton in Washington indes hoch angerechnet.

Mit geschientem Arm

„Sie ist eine Team-Spielerin”, bescheinigte ihr etwa die frühere Karriere-Diplomatin Wendy Chamberlin, die jetzt ein außenpolitisches Forschungsinstitut leitet. „Ich sehe keine Spannungen zwischen Obama und ihr.” Clinton sei loyal zu Obama und werde in der Welt geschätzt, bescheinigten auch andere Außenpolitik-Experten.

Es zeugt überdies wohl auch von ausgeprägtem Realitätssinn, gar nicht erst zu versuchen, Obama auf dem internationalen Parkett die Schau stehlen zu wollen. Das kann nur schief gehen. Dass die kritischen Bemerkungen über ihre fehlende Präsenz dennoch bei ihr angekommen sind, steht zu vermuten. Ein bisschen mehr Gas will sie künftig wieder geben und sich der US-Öffentlichkeit in Erinnerung bringen. Mitte der Woche meldet sie sich, trotz geschienten Arms, mit einer außenpolitischen Grundsatzrede zu Wort. Und anschließend geht es nach Indien und Thailand. Auch dort sind Amerika Interessen zu wahren.