Kahramanmaras. . Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Syrien davor gewarnt, den Bürgerkrieg in benachbarte Länder zu tragen. Die Stationierung deutscher Patriot-Raketen in der Türkei sei ein Signal, dass die Nato dies nicht zulasse, sagte Merkel am Sonntag bei einem Besuch der deutschen „Patriot“-Einheit im Südosten der Türkei.

Nach Syrien ist es nicht weit. In nur 120 Kilometer Entfernung tobt der Bürgerkrieg. Hier, entlang der Grenze zur Türkei, verläuft aber zugleich ein neuer „kalter Krieg“, mittendrin: 320 Soldaten der Bundeswehr. Mit ihren „Patriot“-Raketen sollen sie die Syrer von Angriffen gegen die Türkei abschrecken. Kahramanmaras ist eine Spannungszone – hier begann Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag ihre Türkei-Reise.

Am Samstag war der Verteidigungsminister dort, in ein paar Tagen kommt SPD-Chef Sigmar Gabriel. Über mangelnde Anteilnahme kann sich die Truppe nicht beklagen. Daran könnten sie sehen, sagte Merkel den Soldaten, was ihr Einsatz für einen „politischen Stellenwert“ habe.

Besuch im Gefechtsstand: Im weitläufigen Gelände oberhalb der Stadt verteilen sich die olivgrünen Lastwagen. Viel bekommt Merkel nicht zu sehen. Auf jedem LKW ist ein Kasten montiert – darin befindet sich eine Rakete. Das Herzstück ist das Radarsystem. Ist eine feindliche Rakete oder ein Flugzeug im Anflug, kann das Patriot-System mit seiner Reichweite von 1000 Kilometern binnen weniger Sekunden reagieren. Der Nato-Partner müsse geschützt werden, sagte Merkel. „So wird Politik ganz real.“

Erdogans Wunschliste

Neben dem Krieg im Nachbarland hat die Türkei zwei weitere große Themen auf dem Radarschirm: Die Kurdenfrage und einen EU-Beitritt. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will am Montag in Ankara außerdem eine Reihe von Problemen ansprechen. Er dringt darauf, die Sprachtests für Türken in Deutschland zu streichen, die Visa-Vergabe zu erleichtern und das Optionsmodell für Doppelstaatler aufzugeben. Die Betroffenen, überwiegend türkischstämmig, müssen sich bis zum 23. Lebensjahr für eine Nationalität entscheiden.

Auch interessant

Zwei Tage ist die Kanzlerin in der Türkei. Sie wird auch von Staatspräsident Abdullah Gül empfangen. Am Montag macht sie einen kleinen Abstecher nach Kappadokien. Ein doppeltes Signal. Zum einen besucht sie Anatolien, das hatte sich ihr Gastgeber so gewünscht. Zum anderen besichtigt sie alte christliche Kulturstätten. In Ankara trifft sie anschließend Vertreter vieler Kirchen.

Veränderte Sicherheitslage

Der Auftakt der Tour stand im Zeichen des Syrien-Konflikts. Für die syrischen Rebellen ist die Türkei ein Rückzugsraum. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie über die Türkei mit Waffen versorgt werden. Die Türken haben die syrische Opposition gestärkt. Es ist kein Zufall, dass der so genannte syrische Nationalrat seinen Sitz in der Türkei hat. Die Sicherheitslage hat sich in zwei Jahren radikal verändert. Erdogan hatte bis 2011 Null Probleme mit seinen Nachbarn, auch nicht mit Diktatoren. Die arabischen Aufstände haben die Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Erdogan hat sich von den alten Regimes abgewendet. Sein Einfluss reicht heute bis Libyen, Tunesien und Ägypten. Er nahm dafür aber Konflikte mit dem Iran und Syrien in Kauf.

Vom Ausgang des Bürgerkriegs hängt für die Türkei viel ab, ihre Sicherheit, ihr Einfluss in der Region. Ist sie eine regionale Ordnungsmacht oder hat sie sich politisch übernommen? Merkel kommt – es ist ihr dritter Besuch nach Oktober 2006 und März 2010 – zu einem angespannten Zeitpunkt. Zumal die Türkei gerade auch einen neuen Anlauf nimmt, das Kurden-Problem zu lösen. Der verhaftete Kurden-Führer Öcalan, der allein in einem Gefängnis auf der Insel Imrali im Marmarameer einsitzt, durfte sich mit Weggefährten beraten. Das nährt Hoffnungen.

Die Frage des EU-Beitritts

Je erfolgreicher die Türkei ist – wirtschaftlich ist sie ohnehin aufstrebend — desto drängender stellt sich die Frage eines EU-Beitritts. Merkel war immer skeptisch, und es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie ihre Meinung ändern wird. Dennoch befürwortet sie die Fortführung der Beitrittsverhandlungen. Der Weg ist das Ziel: Im Gespräch bleiben.

In den letzten Jahren waren die Gespräche ins Stocken geraten. Nun ist Merkel aber dafür, ein neues Kapitel zu eröffnen. Der größte Blockierer, der frühere französische Präsident Nicolas Sarkozy, wurde abgewählt. Merkels Parteifreund und EU-Kommissar Günther Oettinger verstieg sich zuletzt sogar zu einer flapsigen Prognose: „Ich möchte wetten, dass einmal ein deutscher Kanzler oder eine Kanzlerin auf Knien nach Ankara robben wird, um die Türken zu bitten, Freunde, kommt zu uns.“

So weit ist es noch nicht.