Berlin. . Niedersachsen-Wahl, Schavan-Rücktritt, galoppierende Strompreise, Koalitionsstreit: Die Kanzlerin kassiert eine Schlappe nach der anderen. Doch ihre Popularität ist ungebrochen. In Umfragen liegt sie weiterhin unangefochten vorn.
An Angela Merkel perlt alles ab, die verlorene Niedersachsen-Wahl, der Rücktritt ihrer engsten Vertrauten Annette Schavan, der nahezu ergebnislose Koalitionsgipfel, die steigenden Strompreise in Folge der Energiepolitik. Viele nannten es „Fehlstart“, so ließ sich das Wahljahr 2013 auch an. Doch neulich in der Unions-Fraktion klang die Kanzlerin sogar nachdenklich. Ihre Popularität sei eine Grundlage, aber „nicht die Entscheidung“. Popularität ist keine Garantie für den Wahlsieg.
Aber irgendwann kommt die nächste Umfrage, dann noch eine, erst Forsa, dann infratest-dimap, und man steht vor dem Rätsel. Ganz gleich, wie ihre Koalition schwächelt, Merkels Ansehen nimmt keinen Schaden. „Die Menschen kreiden die Schavan-Debatte Merkel nicht an“, versichert Manfred Güllner vom Forsa-Institut. Beim Deutschlandtrend von infratest-dimap erklärten 76 Prozent der Bürger, dass sie mit Merkel (sehr) zufrieden seien.
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Das ist ihr bester Wert seit der Wahl 2009. Merkel führt die Umfrage an, vor Wolfgang Schäuble, Hannelore Kraft, weit vor SPD-Herausforderer Peer Steinbrück auf Platz elf. Andere mögen abgestraft werden, eine Merkel nie. Die Frau hat Teflonqualitäten.
Das ist keine Momentaufnahme. Schon in den letzten Jahren hat sie „Schicksalswahlen“ – in NRW, Baden-Württemberg – überstanden. Nichts blieb haften. Je mehr Leute um sie herum verzwergen, desto größer wirkt sie. Geschlossen schart sich die Union um sie. „Wir haben nur Merkel“, gesteht ein CDU-Präsidiumsmitglied.
Mehrheit gegen Schwarz-Gelb
Auch das lässt sich indirekt mit dem aktuellen „Deutschlandtrend“ belegen. Sechs von zehn Befragten sind gegen eine Fortführung von Schwarz-Gelb. Merkels Koalition ist unbeliebt. Bei der Frage, wer die nächste Regierung anführen soll, stimmten 47 Prozent für die CDU und 45 Prozent für die SPD. Die Führungsrolle wird mithin keiner Partei zugeschrieben. Gegen eine Wechselstimmung spricht nicht die CDU, sondern nur die Zufriedenheit mit Merkel. Sie ist der Unterschied.
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Woran liegt das? Merkel ist nicht besonders volksnah, ebenso wenig eine mitreißende Rednerin, und zu Inszenierungen taugt sie nur bedingt. Was ist ihr Geheimnis? Sind es die Konjunkturdaten? Portemonnaie-Themen spielten in Wahlkämpfen oft eine Rolle. Ist es das Euro-Management? Oder hat Merkel bloß unverschämtes Glück mit ihrem Herausforderer?
Es ist gerade mal ein halbes Jahr her, da haben führende CDU-Politiker noch Peer Steinbrück als gefährlichsten Gegner betrachtet. Ein Mann der Mitte! Nun, nach seiner Nominierung und einer Vielzahl von Pleiten und Pannen, hat sich das Bild gewandelt. Infratest hat SPD-Anhänger gefragt, ob Steinbrück ein Grund für ihre Wahl sei. Und 45 Prozent antworteten, der Kandidat sei ein Grund, die SPD nicht zu wählen. Wohlgemerkt: SPD-Anhänger.
„Vereinnahmen statt spalten“
„Merkel hat die seltene Gabe“, erzählt ein führender FDP-Politiker, „die Menschen zu beruhigen“. Johannes Rau konnte das auch. Ihre Variante von „Versöhnen statt spalten“ lautet: Vereinnahmen statt spalten. In der Euro-Frage, in der Energie-, in der Sozialpolitik versucht sie, Differenzen zu verwischen. Bis heute weiß man nicht so genau, ob sie nun für oder gegen ein NPD-Verbot ist.
Edzard Reuter, der frühere Daimler-Chef, hat gerade ein Buch über die „Egorepublik Deutschland“ geschrieben. Über die Kanzlerin sagt er: „Ich habe großen Respekt vor ihrer Leistung.“ Und im selben Interview seufzt er, „ich weiß bis heute nicht, was ihr eigentlich vorschwebt“.