Berlin. . Um die soziale Gerechtigkeit ist es nach Meinung der Deutschen hierzulande nicht gut bestellt: Nach einer Allensbach-Studie ist sei für 64 Prozent weiter auf dem Rückzug. Die Umfrage ergab ein deutliches Votum für Mindestlöhne und gleiche Bildungschancen. Die Deutschen sehen ihre Gesellschaft auseinanderdriften – dafür versöhnen sie sich mit ihrem Steuersystem.

2013 ist ein Wahljahr, und wer auf Mehrheiten schielt, der sollte ein Thema nicht aus den Augen verlieren: die „Gerechtigkeitslücke“. 69 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass Besitz und Einkommen in ihrem Land ungerecht verteilt sind. Für 64 Prozent ist die soziale Gerechtigkeit sogar weiter „auf dem Rückzug“.

Das ergab eine repräsentative Befragung von 3000 Bürgern im Dezember 2012 und im Januar 2013 für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Das Allensbach-Institut, das die Umfrage durchführte, stellt bei der Präsentation der Ergebnisse zwei Anliegen der Befragten besonders heraus: bessere Bildung und faire Löhne. Die Bevölkerung favorisiere „flächendeckend Mindestlöhne“, sagte Allensbach-Chefin Renate Köcher.

Arbeiter zweifeln an Aufstiegschancen

Für 91 Prozent der Befragten ist soziale Gerechtigkeit, „dass man von dem Lohn für seine Arbeit auch leben kann“. Fast genauso viele fordern Chancengerechtigkeit und meinen damit: gleiche Bildungschancen für alle. Gerade Arbeiter glauben, dass die Aufstiegschancen weniger gut seien (57 Prozent) und die Gesellschaft nicht durchlässig genug sei. Von der Politik erwarten die Deutschen, dass Beruf und Familie besser vereinbart (71 Prozent), Schüler mehr auf das Berufsleben vorbereitet (70 Prozent) und die Studiengebühren (54 Prozent) abgeschafft werden.

Fragt man nach der Verteilungsgerechtigkeit, sind die Prioritäten klar: 76 Prozent mahnen Mindestlöhne und Maßnahmen ge­gen Steuerschlupflöcher an. Es sind exakt die zwei Ziele, die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Aschermittwoch propagiert hat.

CDU und SPD machen sich auf diesem Gebiet Konkurrenz

Zugleich sind es auch klassische SPD-Forderungen. Beide Parteien werben um die selben Wählergruppen mit ähnlichen Ar­gumenten. In der Pflicht, für gerechtere Verhältnisse zu sorgen, sehen die Bürger weniger sich selbst (28 Prozent), die Gewerkschaften (21 Prozent) oder die Wirtschaft (32 Prozent), sondern den Staat. Auch diese Stimmung wird gemeinhin von der Union wie von der SPD bedient.

Gleichzeitig streiten die Parteien über Themen, die für viele Bürger kaum relevant sind. Beispiele dafür sind die Frauenquote (18 Prozent), das Betreuungsgeld (21 Prozent) oder die Förderung der Integration von Migranten (27 Prozent). Auch die Abschaffung des mehrgliedrigen Schulsystems ist nur für 29 Prozent der Befragten ein Gebot der Chancengerechtigkeit.

Die Zufriedenheit mit dem Steuersystem wächst

Deutlich gewandelt haben sich offenbar die Einstellungen der Deutschen zum Steuersystem. Viele Jahre lang war der Trend unverändert: 74 bis 78 Prozent der Bürger meinten, dass das Steuersystem nicht gerecht sei. Seit 2008 dreht sich der Wind. Nur noch 49 Prozent der Deutschen klagen darüber. Aber nicht die Steuergesetze haben sich seither verändert, sondern der Blick darauf. Mit der Zahl der Beschäftigten steigt der Anteil der Bürger, die sich nicht länger als Wohlstandsverlierer sehen, sondern als Gewinner. Mit ihnen wächst die Zufriedenheit mit dem Steuersystem.