Hamburg. . Unter den Menschen in Griechenland wächst die Verzweiflung. Seit Beginn der Krise haben Berufstätige 38 Prozent ihres Einkommens verloren. Die Massenarbeitslosigkeit wächst weiter, Arbeitslose stehen nach einem Jahr ohne jede finanzielle Hilfe da. Der Finanzminister sieht erste Hoffnungszeichen.

Neun von zehn griechischen Privathaushalten haben seit Beginn der Krise 2010 Einkommenseinbußen erlitten, die sich im Schnitt auf 38 Prozent belaufen. Das geht aus einer Untersuchung im Auftrag des griechischen Verbandes des Groß- und Einzelhandels hervor.

In vier von zehn Haushalten ist mindestens ein Mitglied arbeitslos, und Arbeitslosenhilfe wird höchstens ein Jahr lang gezahlt. Unter den bis zu 24-Jährigen sind sogar sechs von zehn ohne Job; die meisten von ­ihnen erhalten gar keine Unterstützung, weil sie nie gearbeitet haben.

Entsprechend stark müssen sich die meisten Familien einschränken. Sieben von zehn Befragten erklärten, dass sie beim Lebensmitteleinkauf Abstriche machen. 83 Prozent sagten, dass sie bei den Heizkosten sparen – in vielen Mietshäusern ­werden in diesem Winter die Zentralheizungen gar nicht in Betrieb ­genommen, weil sich das Heizöl ­dank drastischer Steuererhöhungen gegenüber dem Vorjahr um fast die Hälfte verteuert hat. Vier von zehn Haushalten sind mit der Zahlung ihrer Steuern, mit Strom-, Wasser- und Gasrechnungen im Rückstand. Nach Angaben der Statistikbehörde Elstat leben inzwischen 23 Prozent der Griechinnen und Griechen unter der Armutsschwelle.

Licht am Ende des Tunnels?

Dennoch erklärte Giannis Stournaras, der Chef des griechischen Finanzministeriums, erst vor wenigen Tagen, er sehe ein „Licht am Ende des Tunnels“. Erstmals seit 2003 hatte Griechenland im vergangenen Jahr seine Haushaltsziele erreicht. Besser noch: Das Land übertraf die Vorgaben zum Defizitabbau sogar um 600 Millionen Euro. Gegenüber 2011 wurde das Defizit um 31,1 Prozent zurückgefahren.

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Aber bevor es auch für Staat, Wirtschaft und Bevölkerung bergauf geht, geht es erst einmal weiter bergab: 2013 wird das Bruttoinlandsprodukt erneut um 4,5 Prozent schrumpfen, lautet die Prognose der Regierung. Damit hat Griechenland seit Beginn der Krise bereits ein Viertel seiner Wirtschaftskraft eingebüßt. Kein Land Westeuropas hat seit Kriegsende eine so lange und tiefe Rezession durchgemacht. Für das erste Quartal 2013 erwartet die Athener Industrie- und Handelskammer 36.000 Insolvenzen – 400 pro Kalendertag.

250 000 Menschen essen täglich in den Kirchen

Tiefe Spuren hinterlässt der wirtschaftliche Absturz auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote liegt bei fast 27 Prozent. Hinter der Statistik stehen unzählige menschliche Tragödien, gescheiterte Karrieren, zerstörte Lebensentwürfe. Das Arbeitslosengeld in Griechenland – 360 Euro im Monat – wird maximal ein Jahr lang gezahlt, Sozialhilfe oder Grundsicherung gibt es danach nicht.

Deshalb stehen von den 1,3 Millionen Arbeitslosen mehr als eine Million Menschen ohne jedes Einkommen da – und ohne gesetzliche Krankenversicherung. 250.000 Bedürftige kommen Tag für Tag zu den Armenspeisungen der orthodoxen Kirche, weil sie nicht einmal mehr Geld für eine warme Mahlzeit haben.

Der Finanzminister mag das „Licht am Ende des Tunnels“ bereits erkennen. Die meisten Griechen sehen noch nichts. Im jüngsten Politbarometer, einer monatlichen Umfrage des Instituts Public Issue, sagen fast acht von zehn Griechinnen und Griechen, dass sie mit ihrem Leben unzufrieden sind. Und zwei Drittel glauben, dass sich ihre persönliche Situation in diesem Jahr weiter verschlechtern wird.