London. Die Europäische Union plant ihre Zukunft falsch. Diesen Vorwurf erhebt SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Seiner Meinung nach investiert die EU zu viel Geld in die Landwirtschaft und zu wenig in Forschung und Entwicklung. Das reiche aber nicht für die Champions League, so Steinbrück.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hält die mittelfristige Finanzplanung der Europäischen Union für falsch. Der Vorschlag, der in dieser Woche beim Europäischen Rat auf der Tagesordnung steht, sei "nicht konzentriert auf die Felder, die die Zukunft der EU ausmachen", sagte Steinbrück am Dienstag in der Residenz des deutschen Botschafters in London. Statt verstärkt in Forschung und Entwicklung, die Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen, die Infrastruktur und die Ausbildung der Jugend zu investieren, gingen 30 Prozent in die Landwirtschaft, bemängelte der SPD-Politiker.

Die Landwirtschaft trage aber nur fünf Prozent zum Bruttosozialprodukt der EU bei. Wenn Europa wirtschaftlich "weiter in der Champions League spielen" wolle, müssten die Prioritäten in der Finanzplanung korrigiert werden.

Steinbrück fordert Lockerung der Spar-Auflagen für Griechenland und Portugal

Zugleich machte sich Steinbrück dafür stark, die Sparauflagen für die EU-Krisenländer wie Griechenland und Portugal zu lockern. Deutschland werde es "immer nur so gut gehen, wie es unseren Nachbarn geht", begründete der frühere Bundesfinanzminister seine Forderung. Griechenland werde zugemutet, jedes Jahr fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts einzusparen. Auf Deutschland übertragen wäre dies eine Summe von 125 Milliarden Euro.

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Es gehe nicht darum, die Sparanstrengungen einzustellen, "die Dosis darf aber nicht tödlich sein". Die Haushaltskonsolidierung müsse begleitet werden von Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.

Kanzlerin Merkel informiert die Bürger laut Steinbrück schlecht

Steinbrück erläuterte, aus deutscher Sicht sei es von großer Bedeutung, die Europäische Währungsunion zusammenzuhalten. "Dies wird Deutschland etwas kosten", betonte der SPD-Politiker. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gieße den Deutschen in diesem Punkt keinen reinen Wein ein und tabuisiere Begriffe wie "Haftungsgemeinschaft" und "Transferunion".

Steinbrück setzt am (heutigen) Dienstag seine erste Auslandsreise als Kanzlerkandidat fort. Zunächst traf er mit Vertretern britischer Gewerkschafter zusammen. Zudem traf er den Gouverneur der Bank of England, Sir Mervyn King.

Der Kanzlerkandidat will auch Athen besuchen

Am Nachmittag fliegt der SPD-Politiker weiter nach Athen. Dort ist auch eine Unterredung mit dem griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras und seinem Finanzminister Yannis Stournaras geplant. Mit Gesprächen in mehreren europäischen Hauptstädten will sich der SPD-Kanzlerkandidat in den nächsten Tagen auf außenpolitischem Terrain profilieren.

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Der Vorsitzende der britischen Labour Party, Ed Miliband, will Steinbrück im Bundestagswahlkampf unterstützen. Unter anderem werde Miliband an der für Mai geplanten Feier zum 150-jährigen Bestehen der SPD in Leipzig teilnehmen, sagte Steinbrück.

Steinbrück will Großbritannien in der EU halten

In einer Rede vor der renommierten London School of Economics hatte er am Montagabend eine stärkere Beteiligung der Banken an den Kosten der europäischen Finanzkrise gefordert. Zudem machte er sich für den Verbleib Großbritanniens in der EU stark. (dapd)