Essen/Berlin. . Dürfen Ärzte Embryonen genetisch untersuchen, bevor sie sie in den Mutterleib einpflanzen? Der Bundestag hat die Präimplantationsdiagnostik, kurz PID, zwar grundsätzlich verboten, aber einige Ausnahmen zugelassen. Am Freitag muss der Bundesrat dieser Regelung zustimmen.

Vor einem Jahr kam in der Lübecker Universitätsklinik nach einer künstlichen Befruchtung ein gesundes Mädchen zu Welt. Das Besondere daran: Es war das erste Kind, das in Deutschland im Reagenzglas als Embryo auf Erbgutschäden untersucht wurde. Ärzte hatten damals die Präimplantationsdiagnostik, kurz PID, angewendet.

Damit aber bewegten sie sich in einer rechtlichen Grauzone. Als ein Frauenarzt sich nach einer PID selbst anzeigte, war der Gesetzgeber am Zug.

Dürfen Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib untersucht werden?

Es begann eine lange und heftige Debatte darüber, ob Embryonen vor ihrer Einpflanzung in den Mutterleib genetisch gecheckt und gegebenenfalls aussortiert werden dürfen. Eltern und Kindern müsse Leid erspart werden, argumentierten die Befürworter. Von Selektion sprachen die Gegner. Im Juli 2011 schließlich beschloss der Bundestag, die PID zwar grundsätzlich zu verbieten, jedoch unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen zuzulassen. Damit war der Weg für die Anwendung der Methode frei.

Gentests an Embryonen aber sind nur dann zugelassen, wenn „eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit“ besteht. Sie dürfen auch angewendet werden, wenn eine genetische Schädigung zu einer Früh- oder Totgeburt führen könnte. Nur lizenzierte Zentren dürfen die Tests anbieten, und die Paare müssen sich zuvor beraten lasen. Eine Ethikkommission entscheidet dann im Einzelfall, ob die PID angewendet werden darf. Experten erwarten etwa 300 Fälle im Jahr.

Viele Fragen blieben in der PID-Debatte offen

Dennoch blieben viele Fragen offen: Wer darf die PID anbieten? Bei welchen genetischen Schäden? Wie viele Zentren soll es geben? Wer sitzt in den Ethikkommissionen? Nötig ist also eine Rechtsverordnung, die diese Details regelt. So lange bleibt genetisch vorbelasteten Paaren der Gencheck ihres Nachwuchses versperrt. Als im Sommer 2012 Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) den Entwurf für eine Verordnung vorlegte, brach der Streit von neuem los. Mehr als eineinhalb Jahre nach nach der gefühlsgeladenen Debatte im Bundestag hatte sich immer noch nichts bewegt.

Wozu die PID dient

Mit der PID unter suchen Ärzte im Reagenzglas künstlich befruchtete Embryonen am dritten Tag auf genetische Defekte. Kranke Embryonen werden nicht eingesetzt und aussortiert.

Vor allem monogenetische Krankheiten, bei dem eine Mutation ein Leiden zur Folge hat, erkennt die PID. Viele andere Leiden wie Diabetes oder Alzheimer haben aber vielfache Ursachen.

An diesem Freitag nun geht das Thema in die wohl letzte Runde. Dann nämlich muss der Bundesrat über Bahrs Entwurf entscheiden. Gibt es eine Einigung zwischen Bund und Ländern, ist der Weg für die PID frei. Pochen sie aber auf weitgehende Änderungen, dann kippt Bahrs Verordnung und die PID bleibt weiterhin verboten.

Furcht vor einer Ausweitung der Tests

Im Vorfeld der finalen Abstimmung gab es Verhandlungen zwischen den zuständigen Ministerien in Bund und Ländern. Auch der Ethikrat mahnte Verbesserungen an. So hatte Bahr die Zahl der Zentren, die eine PID anbieten dürfen, zunächst offen gelassen. Dagegen liefen viele Länder Sturm, sie fürchteten eine schleichende Ausweitung der Gentests an Embryonen und einen neuen Markt für PID-Leistungen. Der Ethikrat schlug vor, bundesweit nur drei Zentren einzurichten. Auch die Frage, was als „schwerwiegende Schädigung“ des Embryos anzusehen ist und seine Vernichtung rechtfertigt, sei zu vage formuliert, monierten die Experten.

Offenbar stehen die Zeichen auf eine Einigung. Bei der Begrenzung der Zahl der PID-Zentren sollen sich die Länder durchgesetzt haben. Im Gegenzug verzichten sie angeblich auf ihre Forderung, in jedem Land nur eine Ethikkommission zu erlauben. Ob es tatsächlich so kommt, wird der Freitag zeigen.