Düsseldorf. . Der Handel auf der „grünen Wiese“ blüht, in den Innenstädten beginnt er zu verwelken. Dagegen will die Landesregierung jetzt auf dem Rechtsweg vorgehen. Schon im April sollen neue Planungsvorgaben für die Städte beschlossen werden.

Es gehört fast zum Grundton der Kommunalpolitik in Nordrhein-Westfalen, Leerstand und Tristesse in den lokalen Fußgängerzonen zu beklagen. Wenn jedoch ein Investor mit einem publikumsträchtigen Shopping-Center am Stadtrand lockt, können die Grundstücksverträge gar nicht schnell genug unterschrieben werden. Die Landesregierung will derartige Planungs-Schizophrenie jetzt auf dem Rechtsweg beenden.

Im April wird das rot-grüne Kabinett eine Verordnung beschließen, die den Kommunen bei der Genehmigung von Einzelhandelszentren auf der redensartlichen „grünen Wiese“ künftig enge Grenzen setzt. So hat es Staatskanzlei-Chef Franz-Josef Lersch-Mense (SPD) am Mittwoch angekündigt.

Nur noch bestimmte Geschäfte am Stadtrand

Demnach dürfen nur noch bestimmte Geschäfte wie Möbelhäuser oder Baumärkte am Stadtrand angesiedelt werden, deren Sortiment den Innenstädten-Händlern möglichst wenig Konkurrenz machen soll. Nur noch zehn Prozent der Verkaufsfläche darf mit Artikeln bestückt werden, die klassischerweise in die City gehören. Dazu zählt die Landesregierung Bücher, Bekleidung, Schuhe, Schreibwaren, Haushaltswaren, Spielwaren, Schmuck, Nahrungsmittel oder Unterhaltungselektronik. Kurz: Der schleichenden Abwanderung sämtlicher Sortimente in Einkaufsparks mit Autobahnanschluss soll verhindert werden.

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„Ich begrüße, dass sich die Landesregierung konsequent für den Schutz der Innenstädte einsetzt und die Kannibalisierung der Kommunen durch immer neue Shopping-Center beendet“, sagte Grünen-Wirtschaftspolitikerin Daniela Schneckenburger der WAZ Mediengruppe. Die meisten Wirtschaftlichkeitsberechnungen von solchen Centern seien darauf angelegt, Kaufkraft aus den Nachbargemeinden abzuziehen. CDU-Wirtschaftsexperte Hendrik Wüst erklärte auf Anfrage, auch die Opposition nehme das Problem der Verlagerungen sehr ernst: „Im Ziel gibt es keinen Streit, auch wenn wir uns die Planungsvorgaben schneller und in einem transparenten Gesetzgebungsverfahren gewünscht hätten.“

Leitplanken für Kommunen

Die Landesregierung setzt die Einschränkungen im Einzelhandel als vorgezogenen Teil des neuen Landesentwicklungsplans (LEP) durch, der ab 2014 Städten Leitplanken für die Ausweisung von Wohngebieten, Gewerbe, Straßen und Naturschutzgebieten vorgeben soll. Im Handel ist Eile geboten, da zuletzt in Werl, Remscheid oder Duisburg Möbelmärkte und „Factory Outlet Center“ (Fabrikverkaufszentren) diskutiert wurden. In Wuppertal eskalierte gar ein Streit um einen „Ikea Homepark“ – während Stadtspitze und Regionalplanung die Ansiedlung befürworteten, schritt die Regierung mit einer einstweiligen Anordnung ein.

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Von Fanienne Piepiora und Daniel Wiberny

Die neuen Vorgaben beenden eine Rechtsunsicherheit, der seinen Ursprung in höchstrichterlichen Urteilen der Jahre 2008 und 2009 hat. Damals setzte sich Ochtrup mit einem Factory-Outlet-Center gegen Planungsbeschränkungen des Landes durch. Seither gab es in NRW immer neue Ideen für Shopping-Center. Die Landesregierungen, egal ob schwarz-gelb oder rot-grün, verfolgten dies mit Sorge. Nach Schätzungen des Handelsverbandes Deutschland ist die Gesamtverkaufsfläche zwischen 1990 und 2011 bundesweit von knapp 80 auf 120 Millionen Quadratmeter angewachsen. Und das trotz sinkender Einwohnerzahlen und stagnierenden Pro-Kopf-Ausgaben.

Verlierer sind viele Inhaber-geführte Geschäfte in den Innenstädten, die Kunden an die neuen Center verloren. Rot-Grün sorgt sich zudem um die wohnortnahe Versorgung für eine Gesellschaft, in der bis zum Jahr 2030 der Anteil der über 65-Jährigen um 28 Prozent zunehmen wird. Auch der gewaltige Flächenverbrauch von 15 Hektar pro Tag in NRW soll mit den Einschränkungen im Einzelhandel deutlich eingedämmt werden.