Berlin. . Für Peer Steinbrück weht der Wind zurzeit kräftig von vorn: Die Umfragewerte für den SPD-Kanzlerkandidaten tendieren seit seinen Äußerungen zum Kanzlereinkommen abwärts. Aber er will wieder in die Offensive kommen. Demnächst stehen zudem wichtige Gespräche an – mit Bürgern in deren Wohnzimmern. Ganz ohne Journalisten.

Die Umfragewerte für den SPD-Kanzlerkandidaten sind nicht gut, aber Peer Steinbrück gibt sich zuversichtlich. Nachdenklich und auch selbstkritisch beschreibt er im Interview mit unserer Zeitung in seinem Büro im Berliner Willy-Brandt-Haus, wie er in die Offensive kommen und die Kanzlerin mit Inhalten stellen will.

Mit Steinbrück sprachen Armin Maus, Christian Kerl und Miguel Sanches.

Herr Steinbrück, Sie engagieren sich stark im SPD-Wahlkampf in Niedersachsen. Wie wichtig ist für Sie diese Landtagswahl?

Wenn es zu einer rot-grünen Mehrheit kommt, wovon ich ausgehe, dann ist klar, dass Frau Merkel mit ihrer Koalition im Bund keine Mehrheit mehr hat. SPD und Grüne haben dann im Bundesrat eine Mehrheit, können dort Initiativen etwa zur Bildungspolitik ergreifen oder zum Kampf gegen Steuerhinterziehung. Ein Sieg von Stephan Weil ist also nicht nur für Niedersachsen wichtig. Für die SPD bedeutet das einen großen Schub. Und für mich natürlich auch.

Und wenn es in Niedersachsen nicht reicht?

Ich rechne fest mit einem Sieg . Dafür werden wir uns anstrengen bis zum Schluss.

Sie haben mit einigen Äußerungen etwa zum Kanzlergehalt heftige Debatten ausgelöst, die der SPD und Ihnen nicht gerade geholfen haben. Hätten Sie die Reaktionen nicht vorhersehen müssen?

Auch interessant

Selbstkritisch gesehen: Ja. Aber die Alarmglocken haben bei mir nicht geläutet, weil ich und andere das ja auch vorher schon gesagt haben. Aber eins ist mir wichtig: Ich habe mit keiner Silbe eine Erhöhung des Kanzlergehalts oder der Vergütung generell von Politikern gefordert. Das wurde mir untergeschoben. So wie im Augenblick auch versucht wird, andere Sachen zu drehen - etwa bei meinem früheren Aufsichtsrats-Tätigkeit bei Thyssen-Krupp, da sind hanebüchene Vorwürfe erhoben worden.

Was war falsch an der Kritik wegen Thyssen-Krupp?

Die SPD und ich setzen uns seit Jahren für die Erhaltung des Industriestandorts Deutschland mit seinen Hunderttausenden Arbeitsplätzen ein - die sind im Weltmarkt auch abhängig von Strompreisen. Diese Position habe ich überall vertreten, als Aufsichtsrat, als Bundestagsabgeordneter und auch jetzt als Kanzlerkandidat. Es ist wichtig für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung zu sorgen, für Verbraucher aber auch für Industrieunternehmen im internationalen Wettbewerb.

Inzwischen belasten die Debatten ihre Beliebtheitswerte. Was ist da schief gelaufen?

Wir werden stärker über unsere Inhalte, über unsere Themen reden müssen. Ich will allerdings auch bei meinem Stil bleiben: Sagen, was ich denke.

Kanzlerin Merkel hat uns neulich gesagt, sie freue sich auf Debatten mit Ihnen...

...(lacht) das kann ich gut verstehen ...

...geht es Ihnen umgekehrt auch so?

Ich freu’ mich drauf. Wir sind uns in den letzten drei Jahren kaum begegnet, das war davor in der Großen Koalition natürlich anders. Jeder kennt den anderen, da gibt es keine persönlichen Vorbehalte.

Im Moment macht sie den durchsichtigen Versuch, sich mir als Herausforderer nicht zu stellen - das will sie wohl so lange wie möglich vermeiden. Aber die Themen, die den Bürgern unter den Nägeln brennen von Mieten über die 2-Klassen-Medizin bis hin zur Steuergerechtigkeit und bessere Bildungschancen, kommen auf die Tagesordnung, ich bin gespannt, ob sie sich dem stellen wird, etwa in Fernseh-Duellen.

In der Großen Koalition sah es so aus, als hätten Sie beide ein ganz belastbares Verhältnis...

Aber sie hat jetzt drei Jahre eine völlig andere Politik gemacht, die ich für falsch halte. Die schwarz-gelbe Regierung unter Merkels Führung bekommt handwerklich nichts hin, siehe Energiewende, und inhaltlich halten ja die mit großen Worten angekündigten Einigungen dieser amtierenden Koalition nur wenige Wochen.

Und wie wollen Sie der Kanzlerin beikommen?

Wie eben ausgeführt über die Themen, nicht, indem ich sie persönlich anrempele.

Was würden Sie denn besser machen etwa bei der Energiewende?

Ich werde ein eigenes Energieministerium einrichten, in dem die Kompetenzen innerhalb der Regierung zusammengeführt werden. Zweitens: Wir brauchen einen institutionellen Rahmen, in dem wir alle Beteiligten an einen Tisch holen: Bund, Länder, Kommunen, Energieversorger, Umweltverbände, Industrie. Drittens brauchen wir einen Masterplan zur Bewältigung der Herausforderungen - Experten müssen klären, welche Kraftwerkskapazitäten wir beim Übergang von Atomkraft zu Ökostrom wir benötigen, welche technischen Probleme zu lösen sind, welche Leitungsnetze wirklich benötigt werden. Und schließlich: Das Problem der Strompreise muss gelöst werden.

Was planen Sie für den Wahlkampf?

Wir werden jenseits der klassischen Großveranstaltungen neue dialogorientierte Formate haben: Nächste Woche beginnen wir in Niedersachsen mit sogenannten Wohnzimmergesprächen. Ich besuche Bürger und deren Gäste, vielleicht 20 Leute. Journalisten sind nicht dabei, aber die Gäste dürfen natürlich hinterher berichten, etwa in sozialen Netzwerken.