Essen. . Bundesfamilienministerin Schröder hat mit dem Vorschlag, auch “das liebe Gott“ sagen zu können, für Unmut gesorgt. Aber ist die Causa wirklich so einfach, Schröders Bemerkung wirklich so abwegig? Schließlich sagte schon Papst Johannes Paul II.: „Gott ist Vater, mehr noch, er ist uns auch Mutter.“

Es gelingt Politikern nicht oft, die Bild-Zeitung zu einer Kampagne zu reizen. Da muss man schon, wie einst die Grünen, einen Literpreis von fünf D-Mark fürs Benzin fordern. Oder, besser noch, man spricht dem Chefredakteur böse Drohungen auf die Mailbox. Kristina Schröder, unsere Familienministerin, hat es nun mit einem einzigen knappen Satz in einem Interview der „Zeit“ geschafft, die Empörungsorganisationsmaschine des Boulevardblatts auf Touren zu bringen.

Wie man denn einem kleinen Mädchen erkläre, „dass alle zu DEM lieben Gott beten, nicht zu DER Gott“, wollten die Journalisten von der frauenbewegten Christdemokratin wissen. „Ganz einfach“, so Schröder, selbst Mutter einer 18 Monate alten Tochter. Der Artikel habe nichts zu bedeuten: „Man könnte auch sagen: das liebe Gott.“

Ach, du liebes Gott!

Das war zuviel. „Bild“ witterte sofort einen „Aufstand in der Union“ gegen Schröder und fuhr Heerscharen von konservativen Kronzeugen gegen die Ministerin auf: „Verkopfter Quatsch“, hieß es etwa voller Abscheu, „unpassend“ und „traurig“ lauteten andere Urteile aus der Union. Katherina Reiche (CDU), Staatssekretärin im Umweltministerium und bekennende Konservative, verkündete: „Der liebe Gott bleibt der liebe Gott!“ Basta.

Kristina Schröder

Kristina Schröder, geborene Köhler, ist die neue Bundesfamilienministerin - und ziemlich jung: Sie ist Jahrgang 1977.
Kristina Schröder, geborene Köhler, ist die neue Bundesfamilienministerin - und ziemlich jung: Sie ist Jahrgang 1977. © ddp
Schröder kommt aus Hessen...
Schröder kommt aus Hessen...
...dem CDU-Landesverband von Roland Koch (l.) und Franz Josef Jung (r).
...dem CDU-Landesverband von Roland Koch (l.) und Franz Josef Jung (r). © imago stock&people
Nach Jungs Rücktritt in der Afghanistan-Affäre...
Nach Jungs Rücktritt in der Afghanistan-Affäre... © imago stock&people
...ist Schröder nun Teil von Kanzlerin Merkels Programm zur Schadensbegrenzung.
...ist Schröder nun Teil von Kanzlerin Merkels Programm zur Schadensbegrenzung. © imago stock&people
Schröder machte 2002 ihren Abschluss als Diplom-Soziologin. Im selben Jahr wurde sie in den Bundestag gewählt.
Schröder machte 2002 ihren Abschluss als Diplom-Soziologin. Im selben Jahr wurde sie in den Bundestag gewählt.
Wahlkampftermin in Wiesbaden mit Edmund Stoiber (CSU).
Wahlkampftermin in Wiesbaden mit Edmund Stoiber (CSU). © imago stock&people
2004 demonstrierte Schröder mit Landesregierungssprecher Dirk Metz, Oberbürgermeister Hildebrand Diehl und Innenminister Volker Bouffier (von links) gegen die geplante Schließung des BKA in Wiesbaden.
2004 demonstrierte Schröder mit Landesregierungssprecher Dirk Metz, Oberbürgermeister Hildebrand Diehl und Innenminister Volker Bouffier (von links) gegen die geplante Schließung des BKA in Wiesbaden. © imago stock&people
Das Pendeln zwischen Hessen und Berlin ist sie bereits gewöhnt. Zuletzt war sie dort Mitglied im Innenausschuss und Unions-Obfrau im BND-Untersuchungsausschuss.
Das Pendeln zwischen Hessen und Berlin ist sie bereits gewöhnt. Zuletzt war sie dort Mitglied im Innenausschuss und Unions-Obfrau im BND-Untersuchungsausschuss.
Schröder geht gerne joggen,...
Schröder geht gerne joggen,...
...entspannt sich beim Lesen oder...
...entspannt sich beim Lesen oder...
...beim Backen und..
...beim Backen und..
...gelegentlich auch mal bei einem Glas Wein - wie Ex-Minister Jung.
...gelegentlich auch mal bei einem Glas Wein - wie Ex-Minister Jung.
Seit Jahren engagiert sich Schröder innerhalb der CDU bei der LSU (Lesben und Schwule in der Union) und fuhr 2009 beim Frankfurt Christopher-Street-Day auf deren Wagen mit. (Foto: kristina-koehler.de)
Seit Jahren engagiert sich Schröder innerhalb der CDU bei der LSU (Lesben und Schwule in der Union) und fuhr 2009 beim Frankfurt Christopher-Street-Day auf deren Wagen mit. (Foto: kristina-koehler.de)
Schröder 2007 in Recklinghausen mit Junge-Union-Chef Phillipp Mißfelder.
Schröder 2007 in Recklinghausen mit Junge-Union-Chef Phillipp Mißfelder. © WAZ
Die jüngste Bundesministerin aller Zeiten ist Schröder übrigens nicht: Diesen Rekord hält Claudia Nolte, die mit 28 Jahren zur Ministerin ernannt wurde. Das war 1994 - und das Amt dasselbe wie heute bei Schröder.
Die jüngste Bundesministerin aller Zeiten ist Schröder übrigens nicht: Diesen Rekord hält Claudia Nolte, die mit 28 Jahren zur Ministerin ernannt wurde. Das war 1994 - und das Amt dasselbe wie heute bei Schröder. © ddp
1/16

Aber ist die Causa wirklich so einfach, Schröders Bemerkung wirklich so abwegig?

Auf den ersten Blick schon. Immerhin sprechen Christen in aller Welt das „Vaterunser“, das laut Bibel Jesus selbst seine Jünger zu beten gelehrt hat. Dazu passen die ungezählten Darstellung in der Kunst von Gottvater als mal gütigem, mal zornigem alten Mann mit Rauschebart. Das Bild von Gott, das sich über Jahrtausende in den Köpfen der Christen geformt hat, ist eindeutig männlich.

Aber ein Blick in die Bibel zeigt: So einfach ist die Sache auch wieder nicht. Im Buch Jesaja lässt der Prophet den Herrn (!) sagen: „Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost.“

„Wenn Gott männlich ist, dann ist das Männliche Gott“

Und: Schon im ersten Buch der Bibel, der Genesis, heißt es: „Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, männlich und weiblich schuf er sie.“

Und dann ist da noch der ehemalige Papst Johannes Paul II., bald selbst ein Heiliger, der 1978 sagte: „Gott ist Vater, mehr noch, er ist uns auch Mutter.“

Vor allem die Stellen aus der Bibel wurden in den 70er- und 80er-Jahren von der feministischen Theologie betont und erörtert. „Wenn Gott männlich ist, dann ist das Männliche Gott“, formulierte die 2010 verstorbene Amerikanin Mary Daly, eine der führenden Frauenfiguren der feministischen Theologie. Sie vertrat die Ansicht, dass die Verehrung ausschließlich männlicher Gottesbilder einer Verehrung des Mannes gleichkomme – und damit die Vormachtsstellung des Mannes zementiere. Die humorvollere Variante dieser Denkrichtung lautete: „Als Gott den Mann erschuf, übte sie nur.“

Auch interessant

Andere gingen noch weiter. Etwa die Macher der „Bibel in gerechter Sprache“, eine Art politisch korrekte Variante der Heiligen Schrift, die aus der evangelischen Kirchentagsbewegung entstand. In dem Werk beginnt das „Vaterunser“ so: „Du, Gott, bist uns Vater und Mutter im Himmel...“. In dem Werk, das 2006 erschien, wird der „Herr“ auch mal „die Heilige“ genannt. Zudem ist darin von „Jüngerinnen“ und „Prophetinnen“ die Rede.

Sogar der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) befasste sich intensiv mit dem Buch, an dem 42 Frauen und zehn Männer mehrere Jahre gearbeitet hatten. Letztlich kam man dort aber zu dem Schluss: „Die ,Bibel in gerechter Sprache“ eignet sich nach ihrem Charakter und ihrer sprachlichen Gestalt generell nicht für die Verwendung im Gottesdienst.“

Andere Theologen glauben, letztlich sei es zweirangig, ob das althergebrachte männliche Gottesbild, die mütterliche Variante der feministischen Theologie oder gar Schröders Neutrum-Gott zutreffe. „Ob es grammatikalisch richtig ,lieber’ oder ,liebe’ Gott heißen muss, wird man erst dann erfahren, wenn man ihn oder sie persönlich kennenlernt“, so ein Sprecher des Ruhr-Bistums Essen. „Ich bin aber davon überzeugt, dass es Gott nicht auf die Grammatik ankommt.“