Essen. . Bundesfamilienministerin Schröder hat mit dem Vorschlag, auch “das liebe Gott“ sagen zu können, für Unmut gesorgt. Aber ist die Causa wirklich so einfach, Schröders Bemerkung wirklich so abwegig? Schließlich sagte schon Papst Johannes Paul II.: „Gott ist Vater, mehr noch, er ist uns auch Mutter.“
Es gelingt Politikern nicht oft, die Bild-Zeitung zu einer Kampagne zu reizen. Da muss man schon, wie einst die Grünen, einen Literpreis von fünf D-Mark fürs Benzin fordern. Oder, besser noch, man spricht dem Chefredakteur böse Drohungen auf die Mailbox. Kristina Schröder, unsere Familienministerin, hat es nun mit einem einzigen knappen Satz in einem Interview der „Zeit“ geschafft, die Empörungsorganisationsmaschine des Boulevardblatts auf Touren zu bringen.
Wie man denn einem kleinen Mädchen erkläre, „dass alle zu DEM lieben Gott beten, nicht zu DER Gott“, wollten die Journalisten von der frauenbewegten Christdemokratin wissen. „Ganz einfach“, so Schröder, selbst Mutter einer 18 Monate alten Tochter. Der Artikel habe nichts zu bedeuten: „Man könnte auch sagen: das liebe Gott.“
Ach, du liebes Gott!
Das war zuviel. „Bild“ witterte sofort einen „Aufstand in der Union“ gegen Schröder und fuhr Heerscharen von konservativen Kronzeugen gegen die Ministerin auf: „Verkopfter Quatsch“, hieß es etwa voller Abscheu, „unpassend“ und „traurig“ lauteten andere Urteile aus der Union. Katherina Reiche (CDU), Staatssekretärin im Umweltministerium und bekennende Konservative, verkündete: „Der liebe Gott bleibt der liebe Gott!“ Basta.
Kristina Schröder
Aber ist die Causa wirklich so einfach, Schröders Bemerkung wirklich so abwegig?
Auf den ersten Blick schon. Immerhin sprechen Christen in aller Welt das „Vaterunser“, das laut Bibel Jesus selbst seine Jünger zu beten gelehrt hat. Dazu passen die ungezählten Darstellung in der Kunst von Gottvater als mal gütigem, mal zornigem alten Mann mit Rauschebart. Das Bild von Gott, das sich über Jahrtausende in den Köpfen der Christen geformt hat, ist eindeutig männlich.
Aber ein Blick in die Bibel zeigt: So einfach ist die Sache auch wieder nicht. Im Buch Jesaja lässt der Prophet den Herrn (!) sagen: „Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost.“
„Wenn Gott männlich ist, dann ist das Männliche Gott“
Und: Schon im ersten Buch der Bibel, der Genesis, heißt es: „Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, männlich und weiblich schuf er sie.“
Und dann ist da noch der ehemalige Papst Johannes Paul II., bald selbst ein Heiliger, der 1978 sagte: „Gott ist Vater, mehr noch, er ist uns auch Mutter.“
Vor allem die Stellen aus der Bibel wurden in den 70er- und 80er-Jahren von der feministischen Theologie betont und erörtert. „Wenn Gott männlich ist, dann ist das Männliche Gott“, formulierte die 2010 verstorbene Amerikanin Mary Daly, eine der führenden Frauenfiguren der feministischen Theologie. Sie vertrat die Ansicht, dass die Verehrung ausschließlich männlicher Gottesbilder einer Verehrung des Mannes gleichkomme – und damit die Vormachtsstellung des Mannes zementiere. Die humorvollere Variante dieser Denkrichtung lautete: „Als Gott den Mann erschuf, übte sie nur.“
Auch interessant
Andere gingen noch weiter. Etwa die Macher der „Bibel in gerechter Sprache“, eine Art politisch korrekte Variante der Heiligen Schrift, die aus der evangelischen Kirchentagsbewegung entstand. In dem Werk beginnt das „Vaterunser“ so: „Du, Gott, bist uns Vater und Mutter im Himmel...“. In dem Werk, das 2006 erschien, wird der „Herr“ auch mal „die Heilige“ genannt. Zudem ist darin von „Jüngerinnen“ und „Prophetinnen“ die Rede.
Sogar der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) befasste sich intensiv mit dem Buch, an dem 42 Frauen und zehn Männer mehrere Jahre gearbeitet hatten. Letztlich kam man dort aber zu dem Schluss: „Die ,Bibel in gerechter Sprache“ eignet sich nach ihrem Charakter und ihrer sprachlichen Gestalt generell nicht für die Verwendung im Gottesdienst.“
Andere Theologen glauben, letztlich sei es zweirangig, ob das althergebrachte männliche Gottesbild, die mütterliche Variante der feministischen Theologie oder gar Schröders Neutrum-Gott zutreffe. „Ob es grammatikalisch richtig ,lieber’ oder ,liebe’ Gott heißen muss, wird man erst dann erfahren, wenn man ihn oder sie persönlich kennenlernt“, so ein Sprecher des Ruhr-Bistums Essen. „Ich bin aber davon überzeugt, dass es Gott nicht auf die Grammatik ankommt.“