Berlin. Mit Schrittzählern und einem Wettbewerb will das Jobcenter in Brandenburg an der Havel Arbeitslose zu mehr Bewegung motivieren. Was die Bundesagentur für Arbeit “eine schöne Sache“ nennt, dürfte noch für Wirbel sorgen. Die Linke kritisiert solche Aktionen als “arbeitsmarktpolitischen Unfug“.

Erst sorgte das Jobcenter Dortmund für Wirbel, als es versuchte, Hartz-IV-Empfänger mit Prämien zur Arbeit zu locken. Nun liefert das Jobcenter in Brandenburg an der Havel Gesprächsstoff. Mit einem Schrittzählerwettbewerb will es Arbeitslose motivieren, sich mehr zu bewegen und damit gesünder zu leben. In der Politik hat die skurrile Aktion gemischte Reaktionen hervorgerufen.

Seit Montag tragen 18 Probanden 40 Tage lang einen Schrittzähler am Gürtel. Wer zuerst 8848 Meter zurücklegt, was der Höhe des Mount Everests entspricht, gewinnt einen kleinen Preis. Dahinter steckt der Gedanke, dass der Wiedereinstieg ins Arbeitsleben auch von der Fitness abhängt. Die Aktion sei ein kleiner Baustein für die Rückkehr, sagte der Leiter der Jobagentur, Christian Gärtner, der den Wettbewerb im Rahmen des Programms "Perspektive 50Plus" des Arbeitsministeriums initiiert hat. Es soll helfen, ältere Langzeitarbeitslose in Lohn und Brot zu bekommen.

Arbeitsagentur lobt Maßnahmen zur "Gesundheitsaktivierung"

Bei der Bundesagentur für Arbeit findet der Wettbewerb Anklang. „Das ist eine schöne Sache“, sagte eine BA-Sprecherin auf Nachfrage der WAZ Mediengruppe. Schließlich dienten die Maßnahmen der Jobcenter auch der Gesundheitsaktivierung. Denn: „Langzeitarbeitslosigkeit macht krank“, so die Sprecherin. Die Betroffenen würden sich in der Regel weniger bewegen und ungesünder ernähren.

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Von Marc-André Podgornik, Christian Kerl, Anja Schröder, Matthias Korfmann, Klaus Buske

Immerhin ist der Wettbewerb in Brandenburg an der Havel freiwillig. "Es gibt keinen Zwang und keine Sanktionen", sagte Gärtner. Bei einer Aktion in Nienburg war dies vor kurzem anders. Dort hatte das Jobcenter Hartz-IV-Bezieher zu einem Vortrag zur Raucherentwöhnung eingeladen und mit Sanktionen gedroht, falls man ohne triftigen Grund fernbleibe. Dies war nicht nur vor dem Hintergrund pikant, dass die Sanktionen gegen Bürger, die Hartz IV empfangen, in diesem Jahr erstmals die Millionenmarke knacken werden. Nach einem Sturm der Entrüstung war das Jobcenter um Schadenbegrenzung bemüht und sprach von einem "bedauerlichen Fehler". Die Strafandrohung sei nicht zulässig gewesen.

Linke kritisiert Maßnahmen als menschenverachtend

Ähnlich äußerte sich nun die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken, die der WAZ Mediengruppe vorliegt. "Das Handeln des Jobcenters Nienburg dürfte aus Sicht der Bundesregierung ein bedauerlicher Einzelfall sein", heißt es dort. Gleichwohl befürwortet die Regierung Gesundheitsprävention im Zusammenhang mit der Eingliederung in Arbeit. Ihr komme eine "erhebliche Bedeutung" zu.

Damit zeichne die Regierung "ein Bild des unsportlichen, stark suchtgefährdeten erwerbslosen Menschen, den es erst einmal gilt, verwertbar für den Arbeitsmarkt zu machen", kritisierte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Sabine Zimmermann, dieser Zeitung. Von den Aktionen der Jobcenter in Nienburg und Brandenburg an der Havel hält sie nichts: "Dass Raucherentwöhnungskurse oder Schrittzähler mit einer Integration in den Arbeitsmarkt zu tun haben sollen, ist arbeitsmarktpolitischer Unfug und ein Armutszeugnis."

"Die Aktion scheint mir etwas skurril" meinte auch die Arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Anette Kramme, zum Schrittzähler-Contest. "So lange die Arbeitslosen freiwillig mitmachen, ist es aber okay."