Nienburg. . Das Jobcenter Nienburg in Niedersachsen steht im Verdacht, sozial Schwache zur Teilnahme an einer Info zur Raucherentwöhnung gezwungen zu haben. Sonst drohten drei Monate lang Abzüge beim Arbeitslosengeld. Die Leitung spricht von einem „bedauerlichen Fehler“.

Das Jobcenter Nienburg in Niedersachsen steht im Verdacht, sozial Schwache zur Teilnahme an einer Info zur Raucherentwöhnung gezwungen zu haben. Wie erst jetzt bekannt wurde, erhielten Hartz IV-Empfänger im September Briefe des Jobcenters, in denen sie zu der einstündigen Veranstaltung gebeten wurden. In den Schreiben stand aber auch unmissverständlich, dass jemand, der dieser Einladung nicht folgen sollte, drei Monate lang Abzüge von zehn Prozent beim Arbeitslosengeld II hinnehmen müsse. Sozialarbeiter werten dies als unverschämten Versuch, mündige Bürger unmündig zu machen.

Das Jobcenter sprach gestern von einem „bedauerlichen Fehler“. Die Sanktions-Androhung sei nicht zulässig gewesen, niemand sei für eine Nicht-Teilnahme bestraft worden.

Jobcenter in Dortmund und Unna sollen Prämien für neue Jobs in Aussicht gestellt haben

Entweder Sie kommen zum „Raucherentwöhnungs-Vortrag“ oder es gibt weniger Hartz IV. Frei übersetzt war es diese Botschaft, die das Jobcenter Nienburg an Sozialhilfeempfänger geschickt hatte, und die nun über die niedersächsische Stadt hinaus einen Sturm der Entrüstung auslöst.

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Von Matthias Korfmann

Gerade erst waren die Jobcenter in Dortmund und Unna bundesweit ins Gerede geraten, weil sie womöglich Arbeitslosen Geld-Prämien für die Aufnahme einer Arbeit in Aussicht stellten. Nun gerät Nienburg mit einer anderen, nicht minder „kreativen“ Arbeitsmethode in die Schlagzeilen.

Darf der Staat Bürger zum Nichtrauchen zwingen?

Unter der Einladung, die laut Jobcenter an 19 Arbeitslose aus Nienburg verschickt worden war, steht der unfreundlich klingende Satz: „Wenn Sie ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leisten, wird Ihr Arbeitslosengeld II um 10 Prozent ... für die Dauer von drei Monaten gemindert.“

Darf der Staat Bürger zum Nichtrauchen zwingen? Steht da etwa die Vermutung dahinter, Hartz IV-Empfänger würden viel Geld für Zigaretten verprassen?

„Ein bedauerlicher Fehler“

Klaudia Silbermann, die Leiterin des Jobcenters, gab sich am Freitag alle Mühe, diese Vorwürfe zurückzuweisen. „Niemand darf zum Nicht-Rauchen oder zur Teilnahme an einem Entwöhnungskurs gezwungen werden“, sagte Silbermann.

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Die Strafandrohung ihres Jobcenters sei „nicht zulässig“ gewesen, „da es hier keinen direkten Zusammenhang mit einer möglichen Arbeitsaufnahme gibt. Hier ist uns ein bedauerlicher Fehler unterlaufen.“

Die Einladungen zu dem Raucherentwöhnungs-Vortrag seien an Bürger verschickt worden, die zuvor im persönlichen Gespräch mit Mitarbeitern des Jobcenters angedeutet hätten, dass sie mit dem Rauchen aufhören wollten. Und keiner sei wegen Nicht-Teilnahme bestraft worden.