Berlin. Der Bundestag hat dem neuen Hilfspaket für Griechenland zugestimmt. Zuvor hatte es bei der Debatte zu der neuen Milliarden-Unterstützung unterschiedliche Meinungen gegeben. SPD-Fraktionschef Steinmeier warf der Regierung die Verschleppung einer Antwort auf die Krise vor. Finanzminister Schäuble (CDU) verteidigte die Unterstützung.

Der Bundestag hat am Freitag dem neuen Hilfspaket für Griechenland mit breiter Mehrheit zugestimmt. Für das Maßnahmenbündel votierten 473 Abgeordnete, 100 lehnten es ab - darunter13 Abgeordnete aus den Reihen der Union und zehn aus der FDP - es gab elf Enthaltungen. Vorgesehen sind ein Schuldenrückkaufprogramm, Zinssenkungen und längere Kreditlaufzeiten. Mit dem Paket verbunden ist zudem die grundsätzliche Freigabe von Hilfszahlungen in Höhe von insgesamt 43,7 Milliarden Euro an Griechenland.

Bei der Debatte gingen die Meinungen auseinander

Bei der Debatte vor der Abstimmung gingen die Meinungen über Sinn oder Unsinn der neuen Milliarden-Unterstützung für Athen noch weit auseinander. So verteidigte die Bundesregierung die Zahlung weiterer Milliardenhilfen an Griechenland. Alle Beobachter seien sich einig, dass die neue griechische Regierung an einer konsequenten Haushaltskonsolidierung arbeite, "und dass eine Reihe von Fortschritten" erzielt worden sei, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Auftakt der Debatte. Damit seien die Voraussetzungen für weitere Hilfszahlungen gegeben. Allerdings sei der Weg für das Land noch lang. Schäuble: "Es können jahrzehntelange Versäumnisse nicht in zwei Jahren aufgeholt werden."

Schäuble gegen Schuldenschnitt für Griechenland, Steinmeier dafür

Schäuble sprach sich gleichzeitig erneut gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland aus. "Wir dürfen auch weiterhin keinerlei Anreize für ein Nachlassen der griechischen Reformbemühungen setzen", sagte er. "Aktuelle Spekulationen über einen Schuldenerlass" würden jedoch genau solche Anreize setzen. Schäuble sprach von "falschen Spekulationen zur falschen Zeit".

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Regierung die Verschleppung einer Antwort auf die Griechenland-Krise vor. "Was Sie heute vorlegen, ist noch keine nachhaltige Lösung", sagte er am Freitag. Die Bundesregierung habe mit dem Maßnahmenbündel nur "Zeit gekauft". Diese Zeit benötige sie aber vor allem für sich selbst, um "noch unbequemere Entscheidungen" verschieben zu können. Dazu gehöre ein Schuldenschnitt für Griechenland, sagte Steinmeier. "Sie scheuen diese Wahrheit wie der Teufel das Weihwasser", warf er der schwarz-gelben Koalition vor.

SPD will sich der "europäischen Verantwortung" stellen

Steinmeier räumte ein, dass es in seiner Partei eine "schwierige hochstreitige Debatte" über das Votum zu den Griechenland-Hilfen gegeben habe. Die SPD-Fraktion habe sich aber entschieden, zu den europäischen Werten und Überzeugungen zu stehen. Es gehe nicht um eine Bewertung der Arbeit der Koalition, sondern um die "europäische Verantwortung". Die SPD wolle zudem die Griechen unterstützen, die "harte Opfer gebracht haben".

Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück warf der Bundesregierung vor, den Bürgern bei der Rettung Griechenlands weiterhin nicht die volle Wahrheit zu sagen. Die anstehende Entscheidung als bloßen Zinsverzicht darzustellen, sei "nicht ehrlich", sagte Steinbrück am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". "Der Schleiertanz, den die Bundesregierung bisher vorgeführt hat, täuscht die Menschen. Wir sind hinter die Fichte geführt worden, indem wir immer nur häppchenweise informiert worden", betonte der SPD-Politiker.

Weitere Hilfskredite von rund 44 Milliarden Euro

Das Ja des deutschen Parlaments ist nun eine wichtige Voraussetzung, damit Mitte Dezember von den EU-Finanzministern weitere Hilfskredite an Griechenland von rund 44 Milliarden Euro freigegeben werden können. Der deutsche Staatshaushalt wird dadurch allein im kommenden Jahr zunächst mit rund 730 Millionen Euro belastet. Ein Nachtragshaushalt sei aber nicht nötig, erklärte Bundesfinanzminister Schäuble.

Allerdings stellten sich Bundesregierung und Bundestag mit ihrem Votum gegen die Mehrheit der Bürger. Nur 43 Prozent der im neuen "ZDF-Politbarometer" Befragten befürworten die Hilfszusagen. 46 Prozent hätten es besser gefunden, Griechenland pleitegehen zu lassen. Langfristig erwarten 40 Prozent, dass ein Bankrott Griechenlands nur durch einen weiteren Schuldenschnitt abzuwenden ist. 39 Prozent halten einen solchen Teilerlass für Schulden des Landes nicht für notwendig.

Die Linke sprach sich gegen die Rettungsversuche aus

Aus Sicht von Linke-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht verschlimmern die Rettungsversuche der Bundesregierung die Krise in Griechenland noch. "Dieses Land wird auf absehbare Zeit keine Überschüsse mehr erwirtschaften und das wird mit jedem Hilfspaket noch verschlechtert", sagte Wagenknecht im Bundestag. Ein Schuldenschnitt sei unvermeidbar. Die Linke stimme deshalb gegen dieses "verantwortungslose Verbrennen von Geldern", Wagenknecht sprach von "Konkursverschleppung".

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Aus Sicht von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin ist Griechenland nur mit einem umfangreichen Konjunkturprogramm zu retten. Die Bundesregierung müsse verstehen, "dass Griechenland schon lange kein Ausgabenproblem sondern ein Einnahmeproblem hat", sagte Trittin. Die Sparpolitik verschärfe die Rezession sogar noch.

Kritik auch vom Unions-Finanzexperten

Auch innerhalb der Union gab es Kritik: So sagte der Unions-Finanzexperte Manfred Kolbe der "Leipziger Volkszeitung", dass das neue Milliarden-Paket für Athen in der Sache "nicht mehr verantwortbar" sei. Das von der Regierung gewählte rasche Abstimmungsverfahren "widerspricht der parlamentarischen Demokratie", fügte Kolbe hinzu.

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Es sei wie immer in dieser Krise, kritisierte der CDU-Abgeordnete: "Die Finanzminister brauchen Monate, um sich über ein kompliziertes und kaum durchschaubares Griechenlandpaket zu verständigen und wir nicht mehr für voll genommene Abgeordnete sollen in wenigen Stunden zustimmen." Die Parlamentarier hätten am Mittwochabend den Antrag samt dreihundert Seiten Anlage bekommen und sollten dann in kurzer Zeit entscheiden.

"Euro-Raum macht den Eindruck einer Wohngemeinschaft Drogensüchtiger"

Er könne die Bekämpfung der Krise mit immer neuen Schulden "nicht mehr verantworten", sagte Kolbe. "Der Euro-Raum macht manchmal den Eindruck einer Wohngemeinschaft Drogensüchtiger, wo viele nur auf neuen Stoff - sprich Rettungskredite - süchtig sind, anstatt endlich mal von der Droge Schulden loszukommen." Kolbe wies darauf hin, dass die deutsche Haftung insgesamt bald 800 Milliarden Euro erreiche. "Diese Haftung konkretisiert sich jetzt erstmals in Zahlungen und wird am Ende den Wohlstand in Europa und der Bundesrepublik Deutschland gefährden." (dapd/rtr/afp)