Essen. . Auch Routineeingriffe können einen dramatischen Verlauf nehmen, wie die folgenden wahren Geschichten zeigen. Doch wer übernimmt dafür die Verantwortung? Immer öfter landen unklare Fälle vor Gericht, die Prozesse um die Patientenrechte dauern meist viele Jahre.

Die neue Hüfte. Die Schiene, die den Oberarmbruch richten soll. Die Beatmung eines Kindes, das zwar zu früh, aber durchaus gesund zur Welt kommt: Das wird schon, mag man sagen. Ist ja alles Routine. Und doch kann ärztliches Versagen dazu führen, dass Menschen nach Routineeingriffen zu Pflegefällen werden. Dann beginnt der Streit um Schuld und Unschuld, es folgen jahrelange Prozesse. Drei Fälle, die das Leben der Menschen zerstörten:

Fall 1

Ein 50-jähriger Mann lässt sich eine Hüftprothese einsetzen. Nach acht Monaten treten Probleme auf, der Patient geht erneut ins Krankenhaus, um die Ursache abklären zu lassen. Vergeblich: Die Ärzte schicken den Mann wieder nach Hause, doch seine Beschwerden werden schlimmer: Sein Herz rast, andere körperliche Beschwerden kommen hinzu. Besonders dramatisch: Der Patient wird blind und taub. Immer wieder untersuchen ihn Ärzte, bis einer eine Vergiftung mit Kobalt und Chrom feststellt – Stoffe, die in einer Hüftprothese vorhanden sind. Offenbar setzt der Metallabrieb der künstlichen Hüfte die Stoffe frei. Die Kobalt- und Chrom-Belastung ist um ein vielfaches erhöht. Der Hör- und Sehverlust ist nicht mehr reparabel.

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Inzwischen versuchen Gerichte zu klären, wie es zum Abrieb gekommen ist. Hat der Arzt die Prothese falsch eingesetzt? Oder war die Proteste von bereits fehlerhaft, also der Hersteller schuld?

Fälle wie dieser setzen die Gutachter- Maschinerie in Gang: Jeder Beteiligte hat Experten, die die Analyse des Gegners widerlegen. Patienten sind dem ohnmächtig ausgeliefert.

Fall 2

So wie die 72jährige, die sich in ihrer Wohnung den Oberarm bricht. Ihr wird in einer Operation eine Schiene eingelegt, die den Bruch begradigen soll. Nach dem Krankenhausaufenthalt behandelt sie ein Orthopäde weiter. Weil die Wunde nicht heilt, schickt er seine Patientin nach zwei Wochen erneut in die Klinik. Die Patientin bekommt Antibiotika, denn die Wunde nässt inzwischen. Schließlich platzt sie auf, Eiter fließt heraus. Tagelang wird die Wunde gespült und neu verbunden, dabei ist auf den Röntgenbildern erkennbar, dass eine Schraube an der Schiene im Oberarm falsch sitzt. Trotzdem wird die Patientin entlassen.

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Einen Monat später nimmt sie ein anderes Krankenhaus auf, wo die Schiene entfernt und das entzündete Gewebe versorgt wird. Die Diagnose: Die Patientin leidet an einer Blutvergiftung. Laut Gutachten wurde sie viel zu spät behandelt, dadurch kam es zu einem Multi-Organversagen. Die vorher gesunde Patientin ist heute in der Pflegestufe II. Damit ist sie schwer pflegebedürftig und braucht mehrmals täglich Hilfe vom Pflegedienst.

Fall 3

28 Wochen lang verläuft die Schwangerschaft ohne größere Probleme, dann treten bei der Mutter Blutungen auf. Sie wird ins Krankenhaus eingeliefert. In der Nacht löst sich die Plazenta, das bleibt jedoch unbemerkt. Am nächsten Morgen wird das Kind per Notkaiserschnitt „geholt“. Es atmet nicht und wird für tot gehalten. Völlig übersehen wird, dass die Lungenreifung noch nicht abgeschlossen ist, dabei gehört dies zu den häufigsten Symptomen bei Frühgeborenen. Als nach 20 Minuten der Kinderarzt eintrifft und das Kind fachgerecht versorgt, ist es zu spät. Der lange Sauerstoffmangel führt zu einer spastischen Zerebralparese. Das Kind wird lebenslang schwerstbehindert und auf Pflege angewiesen sein.

Und die kostet: Der Schaden geht in die Millionen, mehrere Gerichte beschäftigen sich damit.

Natürlich sind diese Fälle, dokumentiert von der Techniker Krankenkasse (TK), besonders krass. Doch obwohl sie so eindeutig sind, gehen sie meist durch mehrere Instanzen. „Bis zu einem Urteil vergehen oft Jahre“, sagt TK-Sprecher Christian Elspas. Trotz dieser Hürden sei inzwischen die Bereitschaft der Patienten höher, im Zweifelsfall gegen den Arzt vorzugehen. Durch das Internet könnten sich Patienten heute leichter informieren, müssten nicht mehr in Bilbiotheken Literatur wälzen. „Außerdem haben sich inzwischen Anwaltskanzleien auf Patientenrechte spezialisiert“, sagt Elspas.

Eine Fachanwältin vertritt auch einen 72jährigen Mann aus Recklinghausen, der nicht nur Krebs, sondern auch massiven Ärztepfusch überstanden hat: Bei der lebensrettenden Darmoperation blieben zwei 30 Zentimeter lange Schläuche in seinem Bauch. Die konnten glücklich entfernt werden. Nun wartet er auf 70 000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz. Und auf eine Entschuldigung der Klinik.