Berlin. . Freier Handel, Afghanistan, Abrüstung – Deutschland hofft auf neue Initiativen des neuen und alten US-Präsidenten Barack Obama. Strategisch richtet Obama sich auf Asien aus. Aber wo bleibt Europa?

Amerika war oft Trendsetter. Verloren haben bei der US-Wahl die Rechtsausleger und gewonnen hat ein Politiker, von dem sich junge Leute, aber auch die Frauen mehr Chancen erhoffen, und dem der Umweltschutz wichtig sei, analysiert Hans-Dietrich Genscher, auch mit 85 Jahren ein Mann mit viel Gespür. Der frühere Außenminister empfindet die Wiederwahl von US-Präsident Barack Obama als Bestätigung einer „großen Kulturrevolution“ und meint damit, dass ein Schwarzer die USA anführt. Die Wahl 2008 – kein Betriebsunfall.

FDP-Legende Genscher ist begeistert, wie so viele in Berlin. Dagegen Angela Merkel: Ein Standardschreiben. Sie wünscht „viel Kraft“, hofft, Obama „bald wieder“ in Deutschland begrüßen zu können. Nüchterne Zeilen, aufgeschrieben von der Fachabteilung im Kanzleramt.

Auch interessant

Im Umgang mit Obama hat die Kanzlerin länger und stärker gefremdelt, als sie zugeben mag. Mit der Kanzlerin verbindet man „kleine Schritte“, mit Obama unerfüllte Hoffnungen auf „große Sprünge“. Deckt die Begeisterung für sein Pathos etwa Merkels Defizite auf?

Oft wandten sich Präsidenten in ihrer zweiten Amtszeit der Außenpolitik zu. Es gibt dafür viele Gründe: Weil sie innenpolitisch nicht zur Wiederwahl anstehen und bald zu „lame ducks“ werden, zu lahmen Enten mit eingeschränkter Macht. Oder weil die Beinfreiheit in der Außenpolitik am größten ist. Für die Konrad-Adenauer-Stiftung wäre es „nicht überraschend“, wenn auch Obama hier den „großen Wurf“ suchen würde, wie es in einer Analyse heißt.

Wo bleibt Europa?

Gernot Erler von der SPD steuert eine Wunschliste bei: Der Präsident soll das umstrittene Gefangenenlager Guantánamo abwickeln, sich mit Moskau auf einen Raketenabwehrschirm einigen und abrüsten. Vielleicht kommt eine Neuauflage der Global-Zero-Agenda (Abschaffung aller Atomwaffen) oder eine Nahost-Initiative? Auf jeden Fall richtet er sich strategisch auf Asien aus. Wo bleibt Europa?

Bürger zur US-Wahl

weitere Videos

    Obama war der erste Präsident, der einem USA-EU-Gipfel fernblieb. Auf ein neues Freihandelsabkommen wartet Europa bis heute. Anders als Merkel empfahl er in der Euro-Krise keinen Sparkurs. Er hat die Schulden seines Landes verdoppelt statt zu halbieren, was eigentlich verabredet war. Nach dem Sieg könnte Merkel unter Druck geraten, so Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, für die Eurorettung mehr zu tun. Auch ein EU-Beitritt der Türkei wird von den USA befürwortet, Merkel hält davon nichts.

    Rüstungskosten senken

    Weil Obama einen „gigantischen Schuldenberg“ (Genscher) abtragen muss, kalkuliert man in Berlin ein, dass der Präsident seine Kosten für das Militär senken muss. Im Gegenzug müssten sich die Partner demnächst stärker bei der Ausbildung der afghanischen Armee engagieren. Deutschland stellt sich auf den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan 2014 ein. Womöglich wird es aber weder billiger noch einfacher.

    Einen „ersten Vorgeschmack auf die Zukunft“, so die Adenauer-Stiftung, lieferte die Nato-Aktion in Libyen. Betrieben wurde sie von Briten und Franzosen, die USA dosierten ihr Engagement, aber setzten sich im UN-Sicherheitsrat dafür ein. Merkel wurde damit düpiert. Sie war davon ausgegangen, dass sich die USA – wie Deutschland – enthalten würden.

    Besuch wird eingefädelt

    Gleich bei ihrem ersten Kontakt war sie auf der Lauer. Da war Obama noch Kandidat. Er war in Berlin und durfte nicht am Brandenburger Tor sprechen. Als Präsident blieb er der Stadt danach fern. Jetzt wird hinter den Kulissen ein Besuch eingefädelt. Hierzulande hatten republikanische Präsidenten es oft schwer. Demokraten wie Kennedy, Carter, Clinton flogen dagegen die Sympathien zu. Demnächst Obama.