Brüssel. . Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler versucht, bei einem Kurzbesuch in Brüssel die Lust auf Europa zu wecken. Aber Hessens Ministerpräsident Bouffier stiehlt ihm am Dienstag die Schau.

Schwierige Mission: Der Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister nimmt sich an diesem sonnigen Dienstag in Brüssel etwa 30 Minuten Zeit, um Begeisterung für Europa zu wecken. Philipp Rösler (FDP) mag sich Mühe geben. Konkrete Vorschläge macht er jedoch nicht. Eine Herzblut-Rede würde sich ganz anders anhören.

Rösler hat aber auch Pech. Er spricht nach Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Der hat den Vortritt – schließlich lud sein Bundesland zum Empfang mit Rösler. Was für ein Gegensatz. Bouffier, sichtlich älter und kantiger als der 39-jährige Rösler, ist mit einer tiefen Stimme gesegnet, die den Stucksaal im Brüsseler EU-Viertel locker füllt. Der CDU-Politiker schafft es, in etwa 15 Minuten einleuchtend dafür zu werben, warum die Europäer geeint ihrem drohenden Bedeutungsverlust zwischen Amerika und Asien sowie der Krise trotzen müssen.

„Wir dürfen nie zulassen, dass dieses Europa verkürzt wird auf Finanztechnologie“, dröhnt Bouffier. Er sei 1951 geboren. Krieg, Hunger oder Vertreibung habe er nicht kennengelernt. Stattdessen habe er erlebt, wie die europäische Einigung „jährlich mehr Wohlstand“ gebracht habe. Bouffiers Fazit: Nur ein geeintes Europa nutzt allen.

Philipp Rösler ist eher selten in Brüssel

Der erfahrene Politiker schafft es zugleich spielend, neben Persönlichem auch die europaskeptischen Briten, die US-Präsidentschaftswahl an diesem Dienstag und die mitunter ergebnisarmen EU-Krisengipfel in seine Rede einzuflechten. Und mittendrin den Satz: „Europa ist so wichtig, dass man gar nicht oft genug da sein kann.“

Wirtschaftsminister Rösler reist im Vergleich zu anderen Kollegen nicht so oft in die EU-Hauptstadt. Er fällt eher mit markigen oder eigenwilligen Alleingang-Aussagen zum Beispiel zu Griechenland auf - im vertrauten Berlin. Aber nun ist er da. Bouffier schürt die Erwartungen an den Vizekanzler. Von Rösler wünsche er sich, sagt Hessens Ministerpräsident, „dass er uns sagt, wie es weitergeht“. Dafür hat Rösler etwa 30 Minuten Zeit – doppelt so viel wie Bouffier. Seine Rede ist trotzdem rascher zusammenzufassen.

Der Liberale reißt Witzchen, sagt oft „spannend“ und noch öfter, dass die Menschen stärker für Europa begeistert werden müssten. Vor allem die seiner Generation, für die offene Grenzen oder eine gemeinsame Währung eine „Selbstverständlichkeit“ seien. Wie diese Begeisterung geweckt werden könne, sagt Rösler nicht. Stattdessen sinniert er ausgiebig darüber, dass nicht jeder, der kritisch über Europa diskutiere, gleich ein Europa-Gegner sei. Man müsse die Dinge „offen, ehrlich und auch kritisch“ diskutieren“. Das wirkt so, als rechtfertige sich Rösler heimlich selbst. Schon mehrfach stieß der umstrittene FDP-Chef mit europapolitischen Äußerungen auf Kopfschütteln - nicht nur in Berlin.

In Brüssel sagt Rösler an diesem Novembertag inmitten der Schuldenkrise nichts Knackiges zu Griechenland & Co. zurück. Wie es weitergeht, sagt er allerdings auch nicht. Und eilt nach seiner Rede zum Flughafen. Für Brüssel hat der Vizekanzler wenig Zeit. In Berlin warten sie schon auf ihn. Heißt es.