Paris. Im Nachbarland tobt ein heftiger Streit mit der größten Internet-Suchmaschine der Welt - Verlage und Regierung dringen auf eine Abgabe für die Verwendung von Inhalten. Das amerikanische Unternehmen droht mit Ausschluss französischer Seiten. Es wird mit harten Bandagen gefochten.

Zuerst waren es harmlose Sticheleien, dann wurde schwere Artillerie aufgefahren. Mittlerweile ist in Paris gar vom "Google-Krieg" die Rede. Die Frontenstellung in diesem Gefecht ist eindeutig: Auf der einen Seite steht die größte Internet-Suchmaschine der Welt, auf der anderen die Allianz aus französischen Zeitungsverlegern und Regierung. Letztere erwägt, von "Google" eine Abgabe an die Verleger für die Online-Nutzung von Zeitungsinhalten zu verlangen. Das Unternehmen selbst empfindet diese "Google-Steuer" als eine Kriegserklärung. In dem erbittert geführten Ringen geht's um Rechte und "Links", um Milliarden und Existenzen.

In dem Brief an die Ministerin für Innovation und Digitale Ökonomie, Fleur Pellerin, nahm "Google" kein Blatt vor den Mund. Die Drohung war unmissverständlich und schroff: Sollte Frankreich tatsächlich eine "Lex Google" einführen, werde die Suchmaschine in Zukunft eben nicht mehr auf die französischen Zeitungen verlinken. Quasi eine ausgegoogelte Aussperrung. Eigenen Angaben zufolge registriert die Suchmaschine nicht weniger als vier Milliarden Klicks im Monat auf Artikel, die französische Zeitungsverlage ins Netz gestellt haben. Die Pariser Pläne, so das dramatische Resümee von Google, bedrohten nicht nur das Recht, sich frei zu äußern, sie stellten sogar die Existenz des Unternehmens aufs Spiel.

Sturm der Entrüstung über Google

Googles unverhohlene "Kriegserklärung" entfachte einen breiten Sturm der Entrüstung. Kulturministerin Aurélie Filippetti, obwohl gar nicht Adressatin der Google-E-Mail, giftete prompt zurück: "Drohungen auszustoßen, ist nicht die korrekte Art, mit einer demokratischen Regierung zu diskutierten." Marc Feuillée, Generaldirektor der auflagenstarken Zeitung "Figaro" und Präsident des französischen Verlegerverbandes, wiederum drohte mit juristischen Schritte gegen Google. Denn auch er sieht ein existenzielles Risiko. Ein Verlinkungsstopp durch Google laufe nämlich de facto auf die Schließung von Online-Zeitungsseiten hinaus.

Der Google-Streit in Frankreich ist beileibe kein Einzelfall. Überall auf der Welt ringen Zeitungsverleger und Regierungen mit dem marktbeherrschenden Suchmaschinen-Anbieter. Beispiel Brasilien: Dort folgten 154 Tageszeitungen unlängst dem Aufruf des Verlegerverbandes und zogen sich geschlossen aus "Google-News" zurück.

Brasilianische Zeitungen ziehen sich aus Google-News zurück

Auch in Deutschland setzen sich die Zeitungshäuser gegen eine unentgeltliche (Aus-)Nutzung der von ihnen ins Internet gestellten Zeitungsartikel zur Wehr. So radikal wie in Frankreich gedenkt die Bundesregierung allerdings nicht vorgehen zu wollen. Das Kabinett verständigte sich Ende August auf ein "Leistungsschutzrecht für Verlage". Der Plan: Zeitungsverleger sollen von Suchmaschinen-Anbietern künftig Lizenzgebühren verlangen dürfen, wenn diese Zeitungstexte verlinken. Dies gelte auch für kurze Hinweise, die sich auf Schlagzeilen und Textschnipsel beschränken. Die Argumentation der Zeitungsverlage: Suchmaschinen-Anbieter erzeugen dank der mit großem Aufwand erstellten Zeitungsinhalte Werbeeinnahmen in Milliardenhöhe. Ein Kuchen, von dem die Verleger ein angemessenes Stück abhaben möchten.

Stichwort: Google

Das 1998 in den Vereinigten Staaten gegründete Unternehmen "Google" genießt eine marktbeherrschende Stellung. Mit einem Marktanteil von rund 80 Prozent ist es die größte Suchmaschine der Welt. In Deutschland wird der Marktanteil sogar auf 83 bis 90 Prozent geschätzt. Google hat sich eigenen Angaben zufolge das Ziel gesetzt, "die Informationen der Welt zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen". Die Weltmacht "Google" beschäftigt mehr als 30.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2010 - hauptsächlich durch Werbeeinnahmen - einen Umsatz von fast 30 Milliarden US-Dollar sowie einen Überschuss von 8,5 Mrd Dollar. Nicht nur in Frankreich wird darüber geklagt, dass Google als Steuerzahler hingegen kaum in Erscheinung trete.

"Täglich entstehen in deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen Tausende aufwendig produzierte Artikel, die im Internetzeitalter aber in Sekundenschnelle von Dritten ausschnittsweise oder komplett übernommen, verwertet und vermarktet werden können." So umreißt der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger auf seiner Homepage (bdzv.de) das Suchmaschinen-Dilemma und die dringende Notwendigkeit eines Leistungsschutzrechtes. Eine Einschränkung der Informationsfreiheit befürchtet der BDZV nicht.

Google hingegen sieht sich keineswegs in der Rolle eines skrupellosen Plünderers, der im Internet nach Herzenslust auf den Internetseiten der Verlage herumwildert. Eher versteht sich der Internet-Riese als ein Taxifahrer, der seine Kunden zu einem Restaurant kutschiert. Allerdings sei man nicht bereit, dem Wirt obendrein auch noch Geld zu zahlen. "Es ist kein Geheimnis, dass wir Pläne, wie sie in Frankreich und Deutschland erörtert werden, als schädlich für das Internet betrachten", heißt es in dem besagten Google-Brief an die französische Digital-Ministerin. Eine Haltung, die in Deutschland auch von der "Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht" (darunter Chaos Computer Club, Perlentaucher, Wikimedia, Blogger) eingenommen wird. Sie lehnt Lizenzvereinbarungen oder Gebühren kategorisch ab.

Wenig neue Leser

Die brasilianischen Zeitungsverleger hatten seit Ende 2010 eine Zusammenarbeit mit "Google News" ausprobiert. Doch die Hoffnung, dadurch mehr Leser zu gewinnen, trog. Google präsentierte zwar verabredungsgemäß in Textschnipseln, so genannten "Snippets", Schlagzeilen und Anfänge der Artikel. Doch diese zogen die Nutzer keineswegs auf die Online-Zeitungsseiten. Wie sich herausstellte, war der Lesehunger der meisten Nutzer mit diesen herzhaften Appetitanregern bereits gestillt. Die Konsequenz: Die Onlinemedien am Zuckerhut verbieten Google nun, auf ihre Texte zu verlinken.

In Frankreich haben sich die Wogen inzwischen ein wenig geglättet. Nach einem Gespräch mit dem Verwaltungsratspräsidenten von Google, Eric Schmidt, im Elysée-Palast, sprach sich Staatspräsident Francois Hollande vor wenigen Tagen für Verhandlungen über ein französische Leistungsschutzrecht aus. Diese sollte zügig beginnen und schon bis Jahresende über die Bühne gehen.