Berlin. Die Demonstranten protestieren gegen die Abschiebung von Flüchtlingen und die Lebensbedingungen von Asylbewerbern. Sie befinden sich im Hungerstreik. Die Polizei hat nun gegen mehrere Personen Anzeige wegen Widerstands und Körperverletzung erstattet.
Die seit einer Woche andauernde Demonstration von Flüchtlingen und Sympathisanten vor dem Brandenburger Tor sorgt in Berlin zunehmend für Streit. Politiker mehrere Parteien äußerten am Mittwoch Unverständnis - einerseits über das ihrer Meinung nach zu harte Vorgehen der Polizei, zum anderen über das Verhalten einiger Aktivisten. In der Nacht war es zu Rangeleien zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen.
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Die Demonstration, zu der ein Hungerstreik von etwa 15 Flüchtlingen gehört, richtet sich gegen die Abschiebung von Flüchtlingen und die Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Deutschland. Eine Gruppe von 70 Aktivisten war vor einigen Wochen nach einem Protestmarsch aus Würzburg angekommen und hatte am Oranienplatz in Kreuzberg mit der Genehmigung des Bezirks ein Lager aufgeschlagen. Zwei Wochen später erweiterten sie ihren Protest um öffentlichkeitswirksame Aktionen vor dem Brandenburger Tor.
Dort erstattete die Polizei in der Nacht zum Mittwoch nach eigenen Angaben gegen mehrere Personen Anzeige wegen Widerstands, Körperverletzung und versuchter Gefangenenbefreiung. Die Beamten hatten zuvor von drei Anwesenden die Personalien feststellen wollen. Dem war ein Handgemenge vorausgegangen, weil sich eine Frau einen Schlafsack umgewickelt hatte. Eine weitere Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und Polizei gab es im Laufe des Tages um ein Zelt.
Gesetzliche Auflagen zu Schlafsäcken und "Isomatten"
Hintergrund sind besondere Auflagen für solche Demonstrationen. Verboten sind beispielsweise Schlafsäcke und sogenannten Isomatten. Werden solche genutzt, wird die Einrichtung eines Camps angenommen, was an dieser Stelle verboten ist. Ein Angebot zur vorübergehenden Unterbringung in Unterkünften hatten die Flüchtlinge abgelehnt.
Innensenator Frank Henkel (CDU) warf den Sympathisanten der Flüchtlinge eine "politische Inszenierung" vor. Er habe Respekt vor Menschen, die friedlich für ihre Anliegen demonstrierten. Ihm fehle aber das Verständnis für Personen, die sich in Rollstühlen wegschieben ließen, auf die sie nicht angewiesen seien.
Er betonte zugleich, dass die Polizei das Versammlungsrecht schütze, aber die Entstehung eines "wilden Camps" nicht zulasse. Der Politiker appellierte an die Flüchtlinge, bereitgestellte Notunterkünfte in Anspruch zu nehmen. Dass sie anschließend nicht mehr zum Brandenburger Tor zurückkehren dürften, sei "Propaganda". Auch von einer Räumung ohne Grund könne keine Rede sein.
Dagegen erklärte der Bundesgeschäftsführer der Linke, Matthias Höhn, er empfinde "Scham und Wut" über den Umgang mit den Flüchtlingen am Brandenburger Tor. Diese Wut richte sich vor allem gegen Behörden, Verwaltung und Polizei. "Nicht die Protestierenden setzen leichtfertig ihre Gesundheit aufs Spiel - es sind diejenigen, die ihnen Decken, Schlafsäcke und Isomatten verweigern." Das Angebot für Notunterkünfte bewertete er als "lahmen Versuch", den Protest aus dem Stadtbild zu entfernen. Er rief zur Unterstützung der Demonstranten mit Decken und Kleidung auf.
Gysi will an Wowereit schreiben
Sein Parteikollege, der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Gregor Gysi, kündigte einen Protestbrief an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), an. Anstatt mit den Betroffenen zu sprechen, werde die Situation zugespitzt.
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Die Grüne Jugend Berlin und der Bundesvorstand der Grünen Jugend unterstellten der Polizei, die Streikenden auf "perfideste Art und Weise" in ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit und friedlichen Protest einzuschränken. Das Verbot von Decken sei ein Skandal. Sie forderten ein Einschreiten der politisch Verantwortlichen. Namentlich angegriffen wurde der Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke. Dieser solle schnellstens seine "Blockadehaltung" ablegen und den Flüchtlingen ihr Versammlungsrecht ermöglichen.
Die Vereine Pro Asyl und der Berliner Flüchtlingsrat äußerten sich "in hohem Maße besorgt" über die Gesundheit der Flüchtlinge. "Bei Temperaturen unter Null ist eine Dauerkundgebung ohne Kälteschutz nicht möglich", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Mit dem Verbot für Zelte, Schlafsäcke und Sitzunterlagen versuchten Polizei und Bezirksamt Mitte den Protest zu verhindern. (dapd)