Berlin. . Der Rückzug aus Afghanistan ist noch nicht vollzogen, da wird schon ein neuer Auslandseinsatz geplant. Experten warnen vor einem schlecht vorbereiteten Militäreinsatz in dem westafrikanischen Land. Und in der Heimat sorgt die Bundeswehrreform für schlechte Stimmung in der Truppe.
Der Deutsche Bundeswehrverband warnt vor einem übereilten Militäreinsatz im westafrikanischen Mali. „Uns treibt die Sorge um, dass die Bundeswehr wieder einmal unüberlegt und verantwortungslos in einen Einsatz entsendet wird, der Teil einer nur lückenhaften politischen Konzeption ist“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende André Wüstner. Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Kossendey (CDU), warb um Geduld.
Die Europäische Union erwägt einen Ausbildungseinsatz für das reguläre malische Militär, nachdem El Kaida-nahe Islamisten den Norden des Landes unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Politiker befürchten, Mali könne sich zu einem Rückzugsraum für Terroristen entwickeln.
In die Wüste geschickt
Wüstner sagte der Zeitung „Die Welt“, auch in Afghanistan habe der Begriff Ausbildung am Anfang gestanden. „Dieser Begriff verschleiert das, was auf die Bundeswehr auch in Mali zukommen kann, nämlich eine direkte Verwicklung in kriegerische Auseinandersetzungen“, sagte er. „Soldaten fragen sich berechtigt, ob die Regierung sie mal wieder aus allgemein bündnispolitischen Gründen in die Wüste schickt.“
Staatssekretär Kossendey sagte dem Blatt: „Im Moment steht noch gar nichts zur Entscheidung.“ Erst wenn die EU-Außenbeauftragte Cathrine Ashton bis zum 19. November ein Einsatzkonzept vorgelegt habe, könnten sich die EU-Länder überlegen, wie und womit sie sich an einem Mali-Einsatz beteiligten. „Unser erstes Ziel ist eine politische Übereinkunft, keine militärische Intervention“, versicherte Kossendey. „Sobald wir damit rechnen müssen, dass unsere Soldaten dort Waffen einsetzen müssen, ist ein Bundestagsmandat nötig.“
Abzug aus Afghanistan
Mit wachsender Zuversicht schaut die Truppe indes auf den geplanten Abzug aus Afghanistan bis 2014. Die Sicherheitslage im Norden des Landes habe „einen deutlichen Schritt nach vorn“ gemacht, sagte der für die Provinz Baghlan zuständige Oberstleutnant Martin Mayer. Baghlan gilt wegen seiner ethnischen Mischung als „Klein Afghanistan“. In den vergangenen Jahren war es den Taliban zwischenzeitlich gelungen, Teile der Provinz unter ihre Kontrolle zu bekommen. „Heute sind nicht mehr die Taliban das Problem, sondern die Frage einer guten Regierungsführung“, betonte der Oberstleutnant.
Die Übergabe der Sicherheitsverantwortung kommt nach Einschätzung von Mayer gut voran. Die afghanische Polizei und Armee seien zunehmend in der Lage, ihre Aufgaben ohne direkte Hilfe der Internationalen Schutztruppe ISAF zu erfüllen. „Wir versuchen gerade, uns hier überflüssig zu machen“, sagte Mayer zur Situation in Baghlan. In der Provinz haben die afghanischen Sicherheitskräfte Anfang September die volle Schutzverantwortung übernommen - in ganz Afghanistan sind es 75 Prozent des Landes mit zwei Dritteln der Bevölkerung.
Natürlich gebe es „grundsätzlich“ die Möglichkeit, dass nach dem Abzug der Bundeswehr die Konflikte zwischen den einzelnen Gruppen „wieder bewaffnet ausgetragen werden“, räumte der Oberstleutnant ein. Derzeit sei zu beobachten, wie „die Claims abgesteckt“ würden. Doch werde es seiner Überzeugung nach eine Rückkehr der Taliban-Herrschaft nach einem Abzug der ausländischen Kampftruppen bis 2014 nicht geben: „Ich halte einen Rückfall in den Status vor 2002 derzeit nicht für möglich.“
Miese Stimmung Daheim
In der Heimat ist die Stimmung in der Bundeswehr nach Einschätzung des Wehrbeauftragten des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), nicht gut. Die Soldaten hätten Zweifel daran, dass ihre Interessen bei der Bundeswehrreform wirklich vertreten werden oder ob es nur darum gehe, Geld zu sparen, sagte Königshaus dem Bielefelder „Westfalen-Blatt“. Sie hätten das Gefühl, bei der Reform der Bundeswehr nicht mitgenommen zu werden.
„Wir müssen die Attraktivität im Vergleich zur Wirtschaft massiv steigern“, mahnte der FDP-Politiker. Im Moment könne er dies aber nicht erkennen. Ein weiteres Problem sieht er beim Umgang mit Soldatenfamilien. Die Bundeswehr müsse dringend familienfreundlicher werden. Wenn jemand Elternzeit nehme, machten die anderen Soldaten derzeit die Arbeit mit. Es sollte daher eine dauerhafte personelle Reserve geben, aus der solche Vakanzen besetzt werden können. (dapd)