München. Nach dem Rücktritt von CSU-Sprecher Hans Michael Strepp steht Horst Seehofer in der Kritik. In einer Landtags-Sondersitzung warf die SPD dem Ministerpräsidenten vor, Einflussnahme auf die Medien gehäre zur Strategie Seehofers. Strepp war am Mittag von seinem Amt als Sprecher zurückgetreten.

Nach dem Rückzug des CSU-Pressesprechers Hans Michael Strepp wegen eines umstrittenen Anrufs beim ZDF hat die SPD im bayerischen Landtag CSU-Chef Horst Seehofer ins Visier genommen. Der Anruf mit dem angeblichen Ziel einer Einflussnahme auf die ZDF-Berichterstattung sei kein Ausrutscher, sondern Ausdruck der Pressestrategie Seehofers, sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher am Donnerstag in einer Landtagsdebatte.

"Wir haben es mit einer handfesten Causa Horst Seehofer zu tun", sagte Rinderspacher. Es dränge sich der Eindruck geradezu auf, Strepp habe "nicht aus eigenem Antrieb beim ZDF angerufen, sondern er hat eine Auftragsarbeit erledigt".

Seehofer weist Verwicklung in den Fall von sich

Der CSU-Sprecher hat am Sonntag in der Redaktion der ZDF-Nachrichtensendung "heute" angerufen. Nach Darstellung des ZDF verfolgte er dabei das Ziel, gegen die Berichterstattung des Mainzer Senders über die Nominierung von Christian Ude zum SPD-Herausforderer Seehofers bei der Landtagswahl 2013 zu intervenieren.

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Seehofer wies die Vorwürfe zurück, die CSU-Spitze sei in die Geschichte verwickelt. Im Gespräch mit Journalisten sagte er: "Haben Sie jetzt da etwas anderes erwartet von der Opposition?" Er habe Strepp die Frage gestellt, ob er auf Anweisung gehandelt habe, sagte Seehofer. "Und er hat mir mehrfach gesagt: Absolut Nein."

Seehofer nennt Rücktritt seines Sprechers unvermeidlich

Wegen des Wirbels um das Telefonat hatte Seehofer seinen Sprecher auf dessen eigene Bitte hin am Donnerstag von seinen Aufgaben entbunden. Er nannte den Rücktritt seines Sprechers "unvermeidlich". Seehofer sagte am Mittag am Rande einer Sitzung des bayerischen Landtags in München, ein Parteisprecher sei "die Schnittstelle zu den Medien". Deshalb habe Strepp seine Aufgabe angesichts der unterschiedlichen Bewertungen seines Anrufs beim ZDF "einfach nicht fortführen" können.

Seehofer betonte zugleich: "Ich habe mit Dr. Strepp in diesen vier Jahren sehr gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Insofern ist dies auch für mich ein schwerer Schritt gewesen." Er danke seinem bisherigen Sprecher "für diese Größe, die er durch diesen Schritt zeigt". Die Nachfolge sei noch nicht geklärt.

Unstrittig ist, dass der bisherige CSU-Sprecher am Sonntag in der "heute"-Redaktion des ZDF angerufen hatte. Dabei versuchte er dem ZDF zufolge, einen Bericht in der Hauptnachrichtensendung um 19.00 Uhr über den Landesparteitag der bayerischen SPD in Nürnberg und die Nominierung von Münchens Oberbürgermeister Christian Ude zum SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2013 zu verhindern. Strepp hat diese Darstellung bestritten.

ZDF lässt keinen Zweifel an der Intention von Strepps Anruf 

Nach Angaben des ZDF hatte Strepp auch über mehrere SMS versucht, dessen Berichterstattung zu beeinflussen. Strepp habe am Sonntag SMS sowohl an den Leiter des ZDF-Landesstudios München als auch an den Leiter der ZDF-Hauptredaktion Aktuelles geschickt, in denen er sich nach der geplanten Berichterstattung über den Landesparteitag der bayerischen SPD erkundigt habe, teilte der Sender am Donnerstag in Mainz mit.

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ZDF-Chefredakteur Peter Frey sagte: "Der CSU-Pressesprecher hat am Sonntag auf verschiedenen Wegen versucht, die Berichterstattung des ZDF über eine andere Partei zu beeinflussen." ZDF-Intendant Thomas Bellut äußerte sich über den Anruf Strepps in der "heute"-Redaktion: "Die Intention des Anrufes war eindeutig."

Deppendorf spricht von "unüblichem" Verhalten

Auch die ARD bestätigte, dass Strepp sich über die Berichterstattung zum SPD-Landesparteitag erkundigt habe. Der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin, Ulrich Deppendorf, sagte, dass einer der drei vom Bayerischen Rundfunk (BR) entsandten Hauptstadtkorrespondenten eine SMS vom CSU-Sprecher erhalten hatte.

Dessen Antwort, die ARD mache nichts über den Parteitag der bayerischen SPD, habe sich auf die Arbeit des Hauptstadtstudios bezogen, sagte Deppendorf. Zuständig für die Berichterstattung aus den Ländern sei die jeweilige Landesrundfunkanstalt, in diesem Fall der BR gewesen. Tatsächlich berichtete die ARD-"Tagesschau" über den Parteitag. Dass Parteivertreter sich in Redaktionen der Sender über eine andere Partei erkundigen, sei "in der Tat unüblich", sagte Deppendorf.

Pressevertreter kritisierten das Vorgehen Strepps. Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Michael Konken, sprach von einem "brisanten Angriff auf die Pressefreiheit". Erschwerend komme hinzu, dass Seehofer im Verwaltungsrat des Senders sitze und Einfluss auf Personalentscheidungen habe, sagte Konken im ARD-"Morgenmagazin". Dadurch werde die Dimension des Vorgangs deutlich.

Lückenlose Aufklärung gefordert

Der stellvertretende Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Frank Werneke, forderte vom CSU-Chef ein "klares Bekenntnis zur Pressefreiheit und zur Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, das über die für ihn typischen Sonntagsreden hinaus geht".

Auch Mitglieder der CSU-FDP-Regierungsfraktion in Bayern hatten sich vor dem Rücktritt geäußert. Finanzminister Markus Söder (CSU) sagte im Deutschlandradio Kultur, die Sache solle transparent diskutiert werden. Man müsse "einfach aufklären, was da jetzt dahintersteht", sagte Söder. "Und im Zweifelsfall muss man auch dann die notwendigen Entscheidungen treffen."

Die Generalsekretärin der FDP in Bayern, Miriam Gruß, sagte, die CSU müsse "jetzt schnellstmöglich für lückenlose Aufklärung" sorgen. "Dieser Vorfall zeigt einmal mehr: Der CSU muss man immer wieder auf die Finger schauen." (dapd)