Washington. Er war “Terminator“, er war Gouverneur von Kalifornien und er war sich für eine Affäre nie zu schade. In seiner am Donnerstag erscheinenden Biographie tut Arnold Schwarzenegger alles, nur: sich “total erinnern“, wie es der Titel verspricht, das nun gerade überhaupt nicht.
Wer sich bis Seite 624 durchgehantelt hat, dem schwillt statt Trapezius die Zornesader. Dieses Buch saugt einem das letzte Protein aus dem Leib. „Totale Erinnerung: Meine unglaublich wahre Lebensgeschichte“ hat Arnold Schwarzenegger nach einem seiner Hollywood-Kassenschlager seine seit Tagen scheibchenweise vermarktete Biographie überschreiben lassen. Was da am Donnerstag auch in deutschen Buchläden in die Regale gewuchtet wird, grenzt schon im Titel an dreiste Irreführung.
„Selektive Wahrnehmung“ wäre auch noch gestrunzt. Was der weltweit populärste Österreicher seit Wolfgang Amadeus Mozart dem Publikum vorsetzt, ist so weit von jedem ehrbaren Versuch der kritischen Selbstbefragung entfernt, dass man feststellen muss: Anabolika mögen gewiss viele Zellen tüchtig aufpumpen, die grauen "da oben" nicht.
Schwarzeneggers Buch ist eine ermüdend zu lesende Litanei
Anstatt mit sich ins Gericht zu gehen, die Sucht nach fremden Röcken und permanenter Eroberung einzuräumen und so vielleicht Sympathie durch ehrliche Reue einzusammeln, meißelt sich der Ganzkörpermuskel von einst geschmacklos seinen eigenen Mount Rushmore. Rausgekommen ist nur ein Waschbrettkopf. Die ermüdend zu lesende Litanei, die sich von einem Mr. Olympia-Titel zum folgenden, von einer Promi-Begegnung zur nächsten krampft, ist an keiner Stelle gut definiert.
Wenn Arnie gegen alle Versprechungen eines nicht tut, nicht tun will oder kann, dann sich öffentlich an alles lückenlos erinnern. Schon gar nicht an die unterleibsbezogenen Episoden, die er selbst seit Tagen durch den Mediendurchlauferhitzer jagt. Und denen sich der Hauptdarsteller in der US-Fernsehreihe „60 Minuten“ mit dem lapidar-notgeilen Satz „Ich bin nicht perfekt“ zu entwinden suchte.
Schwarzeneggers Affäre Mildred Beana war einfach nur „da“
Wer gehofft hat, dass der Polizistensohn aus der Steiermark den Seitensprung mit seiner Haushälterin, aus dem ein inzwischen 15-jähriger unehelicher Sohn, Joseph, und eine Scheidung erwachsen ist, in Kapitel 29 nachvollziehbar erklären würde, der wird enttäuscht. Schwarzenegger war 1996 während der Dreharbeiten zu „Batman & Robin“ daheim in Los Angeles, Maria Shriver, Gattin und Mutter seiner vier Kinder, nicht. Und Mildred Beana war einfach nur „da“. Tja. Boris Beckers Londoner Besenkammer-Kapriole klingt dagegen fast verwegen.
Das zusammen mit dem Journalisten Peter Petre geschriebene Buch leidet im Original stilistisch an der zwischen hastigem Daumenkino und Altmänner-Poesiealbum pendelnden Referenten-Sprache, die mutmaßlich auch kein deutscher Übersetzer wirklich veredeln kann. Inhaltlich wiegt die Enttäuschung umso schwerer, weil die unbestritten Respekt abnötigende Karriere der Hauptperson – Bauerntrampel aus Graz wird Mr. Universum, erobert Amerika, erst als Muskelprotz, dann als Immobilienhai und später als Actionkino-Held, heiratet zwischendurch eine Power-Frau aus dem mächtigen Kennedy-Clan, lernt dort das politische Handwerk und wird Gouverneur von Kalifornien – von Autoren wie Lawrence Leamer und Marc Hujer längst weit akkurater und detaillierter ausgeleuchtet worden ist.
Neue Einsichten liefert Schwarzeneggers Biografie nicht
Wirklich neue, relevante Einsichten gibt es nicht. Bis auf das eine oder andere Foto aus dem Privatarchiv. Manchmal liest sich „Totale Erinnerung“, als habe sich der „Terminator“ einige Passagen an der Beinpresse zusammengeguttenbergt. Unterdessen verfestigt sich der Eindruck, dass der 65-jährige Multimillionär ein unheilbarer Geheimagent in eigener Sache ist. Zentrale Entscheidungen, alle Seiten- und Karrieresprünge, hat Schwarzenegger stets mit sich allein ausgemacht; ohne Rücksicht auf Verluste und Mitleidende selbst in der eigenen Familie.
Maria Shriver, gebranntes Kind aus einer Politiker-Dynastie, wollte nicht, dass Schwarzenegger in die Politik geht. Er vermittelte ihr, sie habe ein Vetorecht. Tatsächlich war der Termin der Bekanntgabe seiner Kandidatur für das Gouverneursamt in Kalifornien in einer Fernseh-Show bereits unter Dach und Fach.
Der "Terminator" muss weiter
Dass so jemand den folgenreichen Koitus mit einer Dienstkraft 14 Jahre unerwähnt lässt und seiner Frau, die ihm irgendwann auf die Schliche kommt, beim ersten Paartherapeuten-Gespräch nach 25 Jahren Ehe sagt, er finde sie immer noch so „scharf“ wie am ersten Tag, es tue ihm leid und sie möge bitte zurückkommen, kann nicht wirklich überraschen. Wenigstens in diesem Moment war Arnold Schwarzenegger beim Schreiben ganz bei sich.
„Nennt es Verleugnung, aber mein Kopf funktioniert nicht anders.“ Probleme diskutieren und analysieren sollen andere. Der "Terminator" muss weiter. Vorwärts. Immer weiter. Zurück bleiben Trümmer und Tränen. Hasta la vista, baby? Muss nicht sein.