Düsseldorf. . Die Verteilung von Postkarten in Köln, die Moslems vor dem Abdriften in den Islamismus warnen sollen, hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Die Karten gehören zur umstrittenen “Vermisst“-Kampagne des Bundesinnenministers. Für Entrüstung sorgt besonders der Ort, an dem die Karten in Köln verteilt wurden.

Guntram Schneider kennt die Kölner Keupstraße gut. Hier, am Tatort eines Terroranschlags von Neonazis, hat der SPD-Politiker schon viele Gespräche mit Türken geführt, und er nennt sie „alteingesessene Bewohner des Stadtteils“. Was den NRW-Integrationsminister nun in Rage bringt, ist eine Aktion der Bundesregierung. Ausgerechnet hier, wo viele Opfer noch immer traumatisiert sind, lässt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kartonweise Postkarten verteilen – gegen die Radikalisierung junger Moslems.

Bundesweit werden die rund 600.000 Karten über eine Werbeagentur in zehn Städten verbreitet, darunter Duisburg, Solingen und Wuppertal. Doch nirgends sind die Reaktionen so empört wie in Köln. Dass Minister Friedrich dort vor dem Abdriften in den islamistischen Terror warnt, wo „rechtsterroristische Mörderbanden“ einen Anschlag auf Migranten verübt haben, „zeugt von Geschmacklosigkeit und politischem Unvermögen“, sagte Guntram Schneider dieser Zeitung.

Umstrittene "Vermisst"-Aktion

In der überwiegend von Türken bewohnten Keupstraße war vor acht Jahren eine Nagelbombe explodiert und hatte 22 Menschen verletzt. Jahrelang glaubten die Sicherheitsbehörden an einen Racheakt unter türkischen Kriminellen. Auch Anwohner gerieten in Verdacht. Erst vor einem Jahr wurde der Anschlag dem rechtsextremen „Nationalsozialistischen Un­tergrund“ (NSU) zugeschrieben.

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Friedrichs Kampagne unter dem Titel „Vermisst“ war von Anfang an umstritten. Nicht nur Schneider hält sie für „ausgrenzend und kriminalisierend“. Vor einer Woche verschob das Innenministerium den Start der gleichlautenden Plakataktion – „aufgrund einer aktuellen Gefährdungsbewertung“, wie es offiziell hieß. Auf Postkarten und im Internet wird die Aktion aber fortgesetzt. Sie zeigt Fotos junger Muslime, die „vermisst“ genannt werden, weil sie in die Hände „religiöser Fanatiker und Terrorgruppen“ zu geraten drohen

Postkarten landen im Müll

Für Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) ist die Aktion „in hohem Maße unsensibel“, und der türkisch-islamische Verband Ditib verurteilte sie als „Instinktlosigkeit“. Längst haben die Proteste den Bundestag erreicht. Für den Kölner Volker Beck von den Grünen, wirft der Minister „mit seiner Kampagne „alle Muslime in eine Islamistenschublade“.

Während Innenminister Friedrich sich verteidigt, wird er auch aus dem eigenen Lager angegriffen. Die Kölner Landtagsabgeordnete Serap Güler (CDU) berichtet, Anwohner der Keupstraße hätten die Karten direkt in den Müll geworden. „Ich kann das nachvollziehen“, so Güler.