Showdown zwischen Schröder und Lafontaine über Agenda 2010
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Berlin. . Der Altkanzler und sein ehemaliger Finanzminister begaben sich zum Nahduell an die Uni Göttingen, um über die „Agenda 2010“ zu sprechen, die Schröder vor zehn Jahren einführte. Bei den Studierenden blieb nach den Reden ein fader Nachgeschmack zurück.
Sie hatten „Vorahnungen“. Und die hätten sich „leider bestätigt“, klagen die Studentenvertreter vom AStA der Universität in Göttingen. Es war kein normaler Tag für die Hochschule. Noch 24 Stunden später hallen die Reden von Altkanzler Gerhard Schröder und vom Altlinken Oskar Lafontaine nach. Sie sprachen am Montag am selben Ort, auf dem Campus zum selben Thema: Zehn Jahre „Agenda 2010“.
Vorbei sind die SPD-Zeiten, in denen zwischen beide Männer „kein Blatt Papier“ passen sollte. Die Agenda, in Schröders letzter Amtszeit von 2002 bis 2005 umgesetzt, liegt zwischen ihnen; sie ist die Kontroverse ihres Lebens. Studenten ärgerten sich aus anderen Gründen: Weil Lafontaines Auftritt der „parteipolitischen Profilierung“ für die Linken diente und weil vor Schröders Vorlesung die Taschen von der Polizei kontrolliert wurden. Zudem beklagten sie, dass das wissenschaftliche Programm „vollkommen unterging“.
Alphatiere sind das Programm
Wer den Altkanzler und seinen Ex-Finanzminister einlädt, braucht kein Programm. SIE sind die Attraktion. Womöglich kamen in Göttingen weniger die Studenten, umso mehr aber die Medien auf ihre Kosten. Die Kollegen von der Satiresendung „heute-Show“ schickten ein Kamerateam hin und vorsorglich noch einen Komiker, den sich Lafontaine - buchstäblich - aber vom Halse hielt: „Sie sind nicht das einzige Alphatier, das heute Show machen will“, sagte der Linke.
Schröder wird 66
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Schröder hat in Göttingen studiert. An der Uni hängt er sentimental, an der „Agenda 2010“ wohl auch. Sie kostete ihn viel Kraft, seine Kanzlerschaft sogar, gilt aber als erfolgreich. Wenn er sich heute Bundestagsdebatten anhöre, „gelegentlich tue ich mir das noch an“, dann habe er den Eindruck: „Die da lehnen sich ganz schön zurück und ruhen sich auf den Erfolgen aus.“ Wenn er gefragt werde, was die wichtigste Folge der Agenda sei, antworte er: „Deutschland hat bewiesen, dass es Reform kann.“ Den Kritikern sei gesagt: Die Arbeitsmarkterfolge seien „nicht wie Manna vom Himmel gefallen.“
Zumindest das Ende der Rede bekam Lafontaine noch mit. Er hatte sich in den Hörsaal 011 eingeschlichen. Reihe 13, rechter Rand, wie „Spiegel online“ notierte. Ob Schröder ihn bemerkte, ist unklar. Der Saal ist ziemlich groß, fast 900 Plätze. Da kann man während einer Rede jemanden übersehen. Aber einmal bemerkt der Altkanzler – und hier weicht er vom Manuskript ab – , „dass wir auf dem Weg den einen oder anderen Unterstützer verloren haben, gehört dazu, wenn man Politik gestaltet“. Er muss Oskar Lafontaine dabei im Auge gehabt haben.
Schröder eine Unperson
Lafontaine war zwar lange vor den Reformen als Minister zurückgetreten. Aber erst mit der „Agenda 2010“ war das Zerwürfnis perfekt, unwiderruflich; und sein Wechsel zur Linkspartei dann folgerichtig. Lafontaine verbindet mit der Agenda Lohndumping, Billig-Jobs, entfesselte Finanzmärkte, Einflüsterer aus der Welt der Wirtschaft. Auch die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt stellt er bei seinem Auftritt vor den Studenten in einem anderen Licht dar. Zu einem positiven Fazit könne nur kommen, wer die Statistiken falsch anwende. „Das Beschäftigungsvolumen in Stunden ist heute nicht höher als damals.“
Momente mit Lafontaine
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Während sich Schröder durch den Lauf der Geschichte längst rehabilitiert sieht, ist Lafontaine bis heute nicht über die Agenda-Politik hinweggekommen, und Schröder bleibt für ihn eine Unperson. Es ist erträglicher, über ihn zu reden, wenn er den Altkanzler nicht beim Namen nennt, sondern bloß vom „Weggefährten vergangener Zeiten“ spricht, von „meinem Vorredner“, vom „Kanzler, der nach Kohl kam“ oder vom Mann, „der die „Agenda 2010“ nicht erfand, sondern sich einflüstern ließ.“
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