Essen. . Fünf Millionen Deutsche nehmen jährlich an Kaffeefahrten teil. Nicht selten werden die Teilnehmer dabei Opfer von Betrügern. Die Verbraucherschutzminister der Länder wollen jetzt Senioren schröpfenden Anbietern das Handwerk legen.

Das NRW-Verbraucherministerium stellt sich hinter das Vorhaben der Länder Hessen und Bayern, verstärkt gegen Veranstalter von betrügerischen Kaffeefahrten vorzugehen. „Die von Bayern und Hessen vorgeschlagenen rechtlichen Nachbesserungen sind ein Ansatz um die konkrete Rechtsdurchsetzung des Einzelnen zukünftig zu verbessern und werden daher auch von Nordrhein-Westfalen auf der Verbraucherschutzministerkonferenz im September 2012 unterstützt“, sagte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage.

Neben einer „drastischen Erhöhung“ der Bußgelder soll es ein Verbot für den Verkauf von Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln geben, teilten die hessischen und bayerischen Verbraucherschutzministerien mit. Beide Länder wollen die Anträge zur Verbraucherschutzministerkonferenz im September einreichen und damit Druck für eine Gesetzesänderung auf Bundesebene erzeugen. Bisher liegt die Obergrenze der Bußgelder bei 2500 Euro. „Das stellt keine nennenswerte Abschreckung dar, deshalb planen wir die Erhöhung“, sagte ein Ministeriumssprecher in Wiesbaden auf Anfrage. Die genauen Höhen sollen auf der Konferenz der Verbraucherminister besprochen werden.

Kritik von der Verbraucherzentrale

Die Verbraucherzentrale NRW kritisiert die Gesetzesinitiative: „Die Veranstalter finden zweifellos auch andere Produkte oder Dienstleistungen, die sich auf Kaffeefahrten vertreiben lassen, wie heute schon Töpfe, Pfannen oder Reisen“, sagt Juristin Beate Wagner. Zudem hätten viele Anbieter von Kaffeefahrten ihren Sitz im Ausland, so dass das Problem nicht auf NRW-Ebene lösen ließe.

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Die Kaffeefahrt-Branche verschickt laut Verbraucherschützern pro Jahr etwa 440 Millionen Einladungsschreiben. Bei rund 90 Prozent aller Einladung fehlt der Hinweis, dass es sich um eine Verkaufsveranstaltung handelt. Bei den häufig mehrere Stunden andauernden Verkaufsshows stehen in aller Regel Medizinprodukte und Vitaminpräparate im Mittelpunkt. Dabei werden Nahrungsergänzungsmittel, Magnetfeldunterbetten, Massagematten oder Fußbäder für das zigfache ihres Einkaufspreises verkauft. Meist geht es nach Angaben der Ministerien um hohe drei- und vierstellige Summen, die die Veranstalter verlangten. Für die Nahrungsergänzungsmittel haben sie vorher höchstens sieben bis 50 Euro bezahlt. „Der Handel mit minderwertigen Gesundheitsprodukten ist gefährlicher Hokuspokus. Und das muss ein Ende haben“, fordern die Verbraucherministerinnen Lucia Puttrich (Hessen) und Beate Merk (Bayern).

Unter Druck gesetzt

Nach Schätzungen der beiden Ministerien nehmen jährlich bis zu fünf Millionen Deutsche an den dubiosen Verkaufsfahrten teil. Rund 400 Busse seien jeden Tag zu Kaffeefahrten unterwegs. Dabei fühlten sich die in der Regel älteren Teilnehmer gegenüber den Argumenten und Strategien der Verkäufer unterlegen. Die Verbraucherschutzzentrale berichtet von Fällen, in denen sich Senioren unter Druck gesetzt fühlten und mehrere hundert Euro für eine „Beratung“ bezahlten. In einem Fall hätten der namenlose Veranstalter Druck ausgeübt, in dem er „Reisebestätigungen“ für eine Kaffeefahrt in ein Gartencenter verschickt hatte, die von den Angeschriebenen jedoch nie gebucht wurde.

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Verunsichert wurden die Adressaten damit, dass sie die Gesamtkosten der Veranstaltung zu tragen hätten, falls sie nicht mitführen. Stutzig sollten auch Gewinnbenachrichtigungen machen, die verschickt würden – ohne, dass man freilich an einem Preisausschreiben teilgenommen hat. Meist handelte es sich um den Versuch, zur Teilnahme an einer Kaffeefahrt zu verführen. In einem Beispiel entpuppte sich der vermeintliche Gewinn von 400 Euro als Nachlass auf eine überteuerte Magnet-Gel-Matratze, die so „nur noch 1500 Euro“ kosten sollte.

„Niemand hat etwas zu verschenken“

Nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW gingen im Jahr 2010 (jüngste Zahlen zum Thema) knapp 17.000 Beschwerden über „Gewinnmitteilungen“ ein, die meist zur Teilnahme an einer Kaffeefahrt auffordern. Empfänger der „Gewinnbenachrichtigungen“ sollten sich stets vor Augen halten, dass niemand etwas zu verschenken hat, und an solchen Fahrten erst gar nicht teilnehmen, rät Beate Wagner.

Damit sich Senioren ihre rechtliche Situation im Klaren sind und bei den Verkaufsveranstaltungen nicht einschüchtern lassen, bietet das bereits Verbraucherschutzministerium NRW Informationsveranstaltungen an und hat eine Broschüre zum Thema Kaffeefahrten herausgegeben.