Kairo. . Syrien ist auf dem Weg zur Hölle. UN-Weltsicherheitsrat hin oder her, ob sie es riskieren will oder nicht, die internationale Gemeinschaft wird in absehbarer Zeit intervenieren müssen. Und der Syrien-Einsatz wird wesentlich länger dauern und kostspieliger werden im Vergleich zur Libyen-Intervention.

Die Verbrechen werden von Tag zu Tag grässlicher, das Massaker in Daraya vom Wochenende ist nur das jüngste Beispiel. Die Zahl der Flüchtlinge droht die Anrainerstaaten zu übermannen, allein letzte Woche passierten 30.000 die Grenzen. Und bei der Eskalation der Kämpfe scheint es kein Halten mehr zu geben.

Immer systematischer greift Assads Armee aus der Luft mit Hubschraubern und Kampfjets an, weil ihre Bodentruppen keinen Vorstoß in die umkämpften Areale mehr wagen. So richtete letzte Woche in Aazaz, 20 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt, ein MiG-Jäger mit Raketen ein Inferno an.

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Auch kann niemand mehr garantieren, ob nicht durchgedrehte Eliteeinheiten am Ende doch mit Giftgas auf Rebellenviertel in den Städten losgehen. Tausende Tote und Massenpaniken im ganzen Land wären die Folge.

Massenpaniken

Eingeklemmt zwischen den Fronten erleben bereits jetzt Hunderttausende Familien den Albtraum ihres Lebens. Mindestens zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht – innerhalb und außerhalb der Grenzen ihrer Heimat. Fast alle haben ihr Dach über dem Kopf verloren und stehen vor dem Nichts, selbst wenn eines Tages zu Hause die Waffen schweigen.

Chemiewaffen

Vor allem aber die Chemiewaffenvorräte Assads werden ein Eingreifen erzwingen – direkt während des Bürgerkriegs, sollte der Diktator die teuflischen Substanzen tatsächlich einsetzen. Oder nach seinem Sturz, damit das tödliche Gas nicht versprengten loyalen Truppenteilen, der Hisbollah oder ausländischen Jihadisten in die Hände fällt. Im ungünstigsten Fall auf 60 000 schätzt das Pentagon die notwendigen Soldaten, sollten diese Giftwaffen ad hoc in einer Großaktion neutralisiert werden müssen. Das käme einer Invasionsarmee gleich – fast in der Größenordnung des Irak-Feldzugs.

Massenexodus

Gleichzeitig entwickelt sich der Massenexodus aus Syrien zur größten Flüchtlingskatastrophe des Nahen Ostens in der jüngeren Geschichte. So richtig es ist, die Hauptlast der Aufnahme zunächst einmal den Anrainerstaaten zuzumuten, inzwischen kommen diese – wie Jordanien und Libanon – selbst ins Trudeln.

Die Geflohenen ernähren, die Verwundeten versorgen, die seit anderthalb Jahren nicht zur Schule gegangenen Kinder wieder unterrichten – die internationale Gemeinschaft wird den Asylländern noch in ganz anderen Dimensionen helfen müssen als bisher.

Denn die meisten Familien können selbst dann nicht sofort zurück, wenn das Assad-Regime stürzt. Ihre Häuser sind Ruinen, Schulen und Krankenhäuser, Bäckereien und Felder sind zerstört, Strom und Wasserversorgung nicht mehr vorhanden. Städte wie Homs, Hama, Rastan oder Deraa müssen ganz neu aufgebaut werden. Hunderttausende haben alles verloren, ihre Angehörigen, ihre Wohnungen, ihre Existenz und ihr Vertrauen in die Zukunft.

Mindestschutz

Inzwischen rüsten Türkei, USA und Frankreich erstmals für begrenzte Flugverbotszonen, die der syrischen Zivilbevölkerung einen Mindestschutz garantieren könnten. Die Vereinigten Staaten bringen Spezialkräfte gegen die Chemiewaffen in Stellung und planen, größere Vorräte an Lebensmitteln und Medizin in der Region zu deponieren.

Deutschland assistiert der zerstrittenen Opposition bei ihrer Planung eines politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus. Und Italien bündelt die Initiativen diese Woche zu einem Gipfel für die Zeit nach Assad.

Allen Beteiligten aber dürfte inzwischen klar sein: Was für Syrien in den nächsten Monaten und Jahren auf die Weltgemeinschaft zukommt, das wird wesentlich umfassender sein, viel länger dauern und weitaus kostspieliger werden, als die 7587 Nato-Luftangriffe auf Libyen.