Essen. . Künstliche Algenblüte im Ozean, CO-Speicher unter der Erde, Schwefelwolken im Himmel, Sonnenschirme im All: Weltweit wachsen die Bemühungen, den Klimawandel durch technische Eingriffe zu bremsen. Diese Projekte werden unter dem Begriff „Geo-Engineering“ diskutiert. Doch die Bundesregierung lehnt dies ab.

Unter Politikern und Forschern wächst die Sorge vor den Risiken solch gezielter Eingriffe in die Natur. Die SPD hat daher nun die Bundesregierung um ihre Position zum Geo-Engineering gebeten.

Die Antworten sind nach Ansicht des SPD-Forschungsexperten René Röspel dünn: „Andere Staaten werden es machen, das kann Auswirkungen auf uns haben. Wir müssen solche Projekte erforschen. Doch da passiert gar nichts.“

Schon immer wollte der Mensch das Wetter machen. Vor etwa 200 Jahren empfahl der Meteorologe James Pollard Espy, Wälder gezielt abzubrennen, um Regen zu erzeugen. Im Kalten Krieg wurde versucht, das Wetter als Waffe einzusetzen:

Auch interessant

Niemand kann vorhersagen, wie gezielte Eingriffe auf das Erdsystem wirken, denn die Natur reagiert oft anders als Ingenieure dies berechneten.
Von Christopher Onkelbach

Mit der „Operation Popeye“ wollten die USA während des Vietnamkriegs mit Silberjodid für Regen sorgen, um Nachschubwege der Vietcong unpassierbar zu machen. Es gelang nicht. 1978 verabschiedeten die Vereinten Nationen ein internationales Verbot, Wetter zu Kriegszwecken zu manipulieren.

Für friedliche Zwecke aber wird die Idee in Zeiten der fortschreitenden Klimaerwärmung wieder populär.

Weiß getünchte Städte

Wenn die Bemühungen, den Ausstoß von Treibhausgasen global zu kontrollieren scheitern, könnten dauerhafte Klimaveränderungen nur noch durch technische Eingriffe abgewendet werden, argumentieren die Befürworter des Geo-Engineering (GE). Dies wird als eine Art letzte Chance, als „Plan B“ des Klimaschutzes angesehen.

Große Dürre in den USA

In den USA herrscht derzeit in vielen Bundesstaaten Hitze...
In den USA herrscht derzeit in vielen Bundesstaaten Hitze... © AP
...Wasser ist Mangelware, seit Monaten hat es nicht mehr richtig geregnet...
...Wasser ist Mangelware, seit Monaten hat es nicht mehr richtig geregnet... © AFP
...Viele Landwirte sind gezwungen, ihr Vieh frühzeitig zu schlachten...
...Viele Landwirte sind gezwungen, ihr Vieh frühzeitig zu schlachten... © AP
...Die Ernte...
...Die Ernte... © REUTERS
...dürfte um 50 Prozent geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren...
...dürfte um 50 Prozent geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren... © REUTERS
...Korn, Sojabohnen und Mais...
...Korn, Sojabohnen und Mais... © REUTERS
...verdorren vielfach auf den Feldern...
...verdorren vielfach auf den Feldern... © AFP
...Bauern haben kaum Hoffnung...
...Bauern haben kaum Hoffnung... © AP
...viele Felder sind vertrocknet...
...viele Felder sind vertrocknet... © REUTERS
...die Böden ausgetrocknet...
...die Böden ausgetrocknet... © AP
...Dunkle Wolken sind zwar zu sehen, aber Regen bleibt aus; die paar Tropfen, die vom Himmel fallen, sind rasch wieder verdunstet...
...Dunkle Wolken sind zwar zu sehen, aber Regen bleibt aus; die paar Tropfen, die vom Himmel fallen, sind rasch wieder verdunstet... © REUTERS
...Fast die gesamte „Kornkammer“ der USA von Nebraska bis Mississippi sitzt seit Monaten unter sengender Sonne...
...Fast die gesamte „Kornkammer“ der USA von Nebraska bis Mississippi sitzt seit Monaten unter sengender Sonne... © REUTERS
...Landwirtschatsminister Tom Vilsack wirbt unterdessen beim Kongress für mehr Hilfsmittel für die US-Landwirte. Bisher wurden 75 Millionen Dollar zugesagt, doch der Schaden geht in die Milliarden...
...Landwirtschatsminister Tom Vilsack wirbt unterdessen beim Kongress für mehr Hilfsmittel für die US-Landwirte. Bisher wurden 75 Millionen Dollar zugesagt, doch der Schaden geht in die Milliarden... © AP
...Während die Getreidepreise steigen, weil die Ernte knapp ist, wird Fleisch derzeit vermehrt auf den Markt geworfen, was wiederum den Preis für's Steak erstmal drückt...
...Während die Getreidepreise steigen, weil die Ernte knapp ist, wird Fleisch derzeit vermehrt auf den Markt geworfen, was wiederum den Preis für's Steak erstmal drückt... © AFP
...In manchen Seen zieht die Hitze den Sauerstoff aus dem Wasser, Fische verenden...
...In manchen Seen zieht die Hitze den Sauerstoff aus dem Wasser, Fische verenden... © AP
...Ein trauriger Anblick: Boden, der mal fruchtbar war.
...Ein trauriger Anblick: Boden, der mal fruchtbar war. © AFP
1/16

G emeint sind zum Beispiel: Schwefelwolken in der Atmosphäre, riesige Sonnenschirme im Weltraum oder das Entfernen von CO2 aus der Atmosphäre durch chemische Verfahren. Bereits getestet wurde die Methode, die Algenblüte im Meer durch Eisendüngung zu fördern. So könnten die Algen mehr CO2 aufnehmen und binden.

Auch der Vorschlag, Straßen und Häuser weiß zu streichen, um Energie für Klimaanlagen zu sparen, wird diskutiert. Insbesondere in Großbritannien und den USA sind die Forschungen weit vorangeschritten, in Deutschland aber haben sie bislang kaum begonnen.

„Weltrettungs-Technologien“

56 Punkte umfasst der Fragenkatalog der „Kleinen Anfrage“ von SPD-Abgeordneten, mit denen sie sich über den Wissensstand und die Planungen der Bundesregierung zu diesem Thema erkundigen wollten.

Die Resonanz fiel nach Ansicht von René Röspel recht mager aus. „Die Antworten haben mich erschüttert“, sagt der SPD-Forschungsexperte der WAZ. „Nicht einmal die Zuständigkeiten für das Thema sind geklärt.“

Auch wenn Eingriffe in das Klimageschehen mit Vorsicht zu sehen seien, so Röspel, seien Forschungen vor allem zu den möglichen Folgen solcher „Weltrettungs-Technologien“ dringend geboten. Denn es sei zu erwarten, dass andere Staaten – etwa China, Großbritannien oder die USA – solche Verfahren bald einsetzten und damit weltweite Folgen provozieren werden. „Deutschland muss für den Fall informiert und gewappnet sein“, so Röspel.

Bundesregierung setzt auf Vermeidung

Zwar distanzierte sich die Bundesregierung klar von GE-Maßnahmen – in Antwort Nummer 12 heißt es: „Die Bundesregierung setzt in ihrer nationalen Klimapolitik vollständig auf die Minderung von Treibhausgas-Emissionen sowie auf Anpassungsmaßnahmen. (...) Ansätze von Geo-Engineering verfolgt sie nicht.“

Es gebe allerdings auch keine langfristigen Planungen, in die Erforschung dieses Bereichs zu investieren. Das genau ist nach Meinung der Opposition und auch vieler Forscher ein grobes Versäumnis. Röspel: „Will die Bundesregierung ihre Haltung international vertreten, braucht sie eine wissenschaftliche Grundlage.“

Wissenschaft mahnt

Mit dem Thema vertraute Wissenschaftler teilen diese Ansicht. Auch sie sehen GE-Maßnahmen „kaum als Alternative zur Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen“, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Forschungsgemeinschaft vom April 2012. Doch sehen die Ozeanographen und Geowissenschaftler „erheblichen Nachholbedarf bei der Erforschung von Nebenfolgen und gesellschaftlichen Aspekten“ von Geo-Engineering.

Bereits heute gebe es „konkrete Interessen und Projektvorschläge“ für solche Maßnahmen, „ohne dass die Konsequenzen dieser Vorschläge für den Menschen und das Erdsystem hinreichend untersucht worden sind“. Dies sei umso dringlicher, als die Diskussion um den GE-Einsatz stark an Dynamik zunehme.

Globale Auswirkungen

Es sei daher sehr wahrscheinlich, so das Fazit der Forscher, dass in naher Zukunft Staaten ohne internationale Absprache solche Projekte starten würden – „mit globaler Wirkung auf das Erdsystem“.